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Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Titel: Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Volk
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dieser zwischengeschalteten medienkritischen Passagen muss allerdings fraglich bleiben, ob das von Haneke ins Visier genommene Genre bei allen Verstößen, Brüchen und bei aller Kritik am Ende nicht doch auch Hanekes Film dominiert. Angesichts der perfide faszinierenden Sogkraft, die das grausame Spiel der Killer auszuüben vermag, sorgen die metafiktionalen Brüche im Plot für kaum mehr als kurze Atempausen, bestenfalls Irritationen, in einem perfekt in Szene gesetzten, beklemmenden Albtraum. Zum Nachdenken kommt man da erst hinterher. Wenn überhaupt.
Roter Sticker; rotes Tuch – der Skandal
    Als F UNNY G AMES im Mai 1997 in Cannes seine Welturaufführung erlebte, prangte auf den Kinokarten ein roter Sticker, auf dem sinngemäß übersetzt folgender Warnhinweis zu lesen war: «Bitte beachten Sie: Der Film enthält Szenen, die einige Zuschauer als schockierend empfinden könnten.» Und Regisseur Haneke versicherte im Vorfeld: «Egal, ob die Zuschauer den Kinosaal empört oder begeistert verlassen werden, ich kann Ihnen versprechen, dass sie ihn nicht gleichgültig verlassen werden.» 1
    Ein Versprechen, das der Film einlöste. Zwar ging F UNNY G AMES im Wettbewerb um die «Goldene Palme» leer aus. Dennoch entwickelte er sich zu dem Film, über den auf dem Festival am meisten, am emotionalsten und kontroversesten diskutiert und gestritten wurde. Demonstrativ hatten zahlreiche Kritiker die Pressevorführung des Films vorzeitig verlassen. «Während viele mit den Tabubrüchen seiner Dekonstruktion des Thriller-Genres zu kämpfen hatten und nicht recht wussten, wohin mit der Ahnung, als Voyeur der Gewalt entlarvt worden zu sein, verweigerten sich andere kategorisch derAuseinandersetzung, indem sie auf die schlichte Versuchsanordnung hinwiesen oder sich den moralischpädagogischen Impetus grundsätzlich verbaten», schrieb Josef Lederle im Film-Dienst über die Cannes-Premiere. 2
    Ähnlich wie in Cannes polarisierte der Film die Kritiker und Zuschauer auch, als er im September 1997 in Deutschland in die Kinos kam. Eine Publikumsreaktion, auf die es Haneke durchaus angelegt hatte, ging es ihm nach eigenem Bekunden doch vor allem darum, den Kinozuschauer zu verunsichern: «Der Witz beim Thriller ist, dass der Zuschauer bereit ist, sich wirklich alles anzusehen, wenn er nur nachher beruhigt aus dem Kino gehen darf. Im Actionfilm wird das Entsetzen ja durch Ästhetik und Humor immer wieder entschärft. Und das findet halt bei mir nicht statt.» 3 Die Anleihen an das Horrorgenre rechtfertigte er als «Leim, auf dem der Zuschauer kleben bleibt», um ihn dann «an einen gedanklichen Ort zu führen, an den er sonst vermutlich nicht gehen würde.» 4
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    Michael Haneke
    (*23.3.1942)
    Der in München geborene Sohn der österreichischen Schauspielerin Beatrix von Degenschild und des deutschen Schauspielers und Regisseurs Fritz Haneke wuchs im niederösterreichischen Wiener Neustadt auf. In Wien studierte er später Psychologie, Philosophie und Theaterwissenschaften. Seine Filmlaufbahn begann er 1967 als Redakteur und Fernsehfilmdramaturg beim Südwestrundfunk in Baden Baden. Mit dem Spielfilmdebüt D ER S IEBENTE K ONTINENT (1989) eröffnete Haneke zugleich seine Trilogie der «Vergletscherung der Gefühle», die er mit dem viel beachteten und hochgelobten B ENNY’S V IDEO (1992) fortsetzte, in dem ein österreichischer Teenager, animiert von Filmen, Videos und aggressiver Musik, ein gleichaltriges Mädchen mit einem Bolzenschussgerät tötet; ohne Motiv und ohne moralische Skrupel, einfach nur, um «zu sehen, wie das ist». Damit waren die zentrale Themen etabliert, die Hanekes weiteres Oeuvre mit wechselnden Schwerpunkten bestimmen sollten: emotionale Kälte, Gewalt und Medienkritik. Mit 71 F RAGMENTE EINER C HRONOLOGIE DES Z UFALLS schloss Haneke 1994 seine Trilogie einer «emotionalen Vereisung» ab, ohne sich aber leichteren Stoffen zuzuwenden. 1997 als er in Cannes mit F UNNY G AMES für einen Skandal sorgte, feierte auch seine Kafka-Verfilmung D AS S CHLOß Weltpremiere. 2001 adaptierte er Elfriede Jelineks Roman D IE K LAVIERSPIELERIN , 2003 inszenierte er das nihilistische Endzeitdrama W OLFSZEIT , ehe er 2005 mit dem abermals medien- und sozialkritischen Drama C ACHÉ bei den Filmfestspielen in Cannes den Preis für die «beste Regie» erhielt. Mit F UNNY G AMES U.S . realisierte Haneke, der seine Filme bis dahin fast ausschließlich in Österreich, Frankreich und Deutschland gedreht hatte, 2007 seine erste

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