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Skelett

Titel: Skelett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Rückseite des Anwesens direkt zur Terrasse führte.
    Sie waren gerade am Ende des Weges angekommen, als Lucinda auf die Terrasse trat. Schick gekleidet wie immer, trug sie ein Paar weiße Hosen mit scharfen Bügelfalten und einen dicken Rollkragenpullover aus weißer Wolle.
    »Sieh mal einer an«, rief sie lachend. »Unser großer Detektiv! Na, wollen Sie wieder über eine Leiche stolpern?«
    »Das wird sich diesmal hoffentlich vermeiden lassen. Wo sind denn die anderen?«
    Sie zählte an den Fingern ab. »Michael treibt sich irgendwo im Moor herum; Larry ist mittlerweile auch angekommen, aber ich weiß nicht, wo der sich gerade aufhält, und unser Freund Aubrey sitzt höchstwahrscheinlich in der Bibliothek und gönnt sich einen Drink, der nicht sein erster ist, aber auch ganz bestimmt nicht sein letzter für heute sein wird.«
    Lucinda umarmte die beiden zur Begrüßung und bot sich an, sie ins Haus zu begleiten. Als sie sich der Terrassentür näherten, kam ihnen Mrs Brogan entgegen, die wie üblich ein mürrisches Gesicht machte.
    »Noch mehr Gäste«, brummte sie. »Für wie viele soll ich denn heute kochen? Und natürlich hat mir mal wieder niemand rechtzeitig Bescheid gegeben.«
    »Wir bleiben nicht zum Essen«, beruhigte sie Tweed.
    »Ich will mich hier nur ein bisschen in der Gegend umsehen.« Er wandte sich an Lucinda und deutete ans Ende der Terrasse. »Geht von hier aus ein Weg hinauf zum Hook Nose Tor?«
    »Ja. Genauer gesagt sind es eigentlich zwei Wege«, sagte Lucinda. »Einer führt hinauf, der andere hinunter. Aber ich würde Ihnen nicht raten, sie nachts zu betreten. Die Wege sind schmal, und es kann leicht passieren, dass man dort ausrutscht und sich das Genick bricht.«
    »Danke für die Warnung«, sagte Tweed lächelnd, »aber ich bin ein geübter Bergwanderer.«
    »Sie sehen aus, als wollten Sie das Badezimmer benutzen, Paula«, sagte Lucinda. »Falls Sie nicht mehr wissen, wo es ist: die Treppe hinauf, dann die dritte Tür links.«
    »Ja, eine Dusche wäre jetzt nicht schlecht«, erwiderte Paula nickend.
    »Lassen Sie sich Zeit«, sagte Tweed. »Es dauert bestimmt eine Weile, bis ich wieder von dem Berg herunterkomme.«
    Mit großen Schritten ging er zum Ende der Terrasse. Vor sich am Fuß der Felswand sah er zwei Wege. Er entschied sich für den linken, weil dieser weniger steil aussah.
    Er zog eine starke Taschenlampe aus seiner Manteltasche hervor und beleuchtete mit ihr den Weg vor sich. Der Weg war tatsächlich sehr schmal und schraubte sich in steilen Serpentinen die Felswand hinauf. Tweed hatte Paula den Grund, weshalb er mitten in der Nacht auf den Berg steigen wollte, wohlweislich verschwiegen. Er hoffte, von dort oben einen guten Blick über das Dach des Anwesens hinweg bis zu dem Kirchturm, der Kirche und dem Dorf ohne Namen zu haben, wie Lucinda es genannt hatte.
    Nach einiger Zeit erreichte er ein kleines natürliches Felsplateau unterhalb des Gipfels, zu dem auch von der anderen Seite her ein Weg führte. Das musste der sein, der den Berg wieder hinunterführte, dachte Tweed. Aus dem Westen wehte ein leichter Wind, und die Luft war frisch und kühl. Von hier aus hatte er genau die Aussicht, die er sich erhofft hatte. Dorf und Kirche lagen im blassen Licht des Mondes direkt unter ihm.
    Tweed hob das Nachtglas, das er sich um den Hals gehängt hatte, an die Augen und nahm den Kirchturm ins Visier. Hinter einem der Bogenfenster im normannischen Baustil brannte noch Licht, was jetzt, so mitten in der Nacht, ziemlich ungewöhnlich war. In der Kirche selbst brannte kein Licht.
    Als Nächstes suchte Tweed die Ortschaft ab, bis er auf einer der Straßen dort zwei frische, parallel nebeneinander verlaufende Ölspuren entdeckte. Tweed runzelte die Stirn.
    Aus den Augenwinkeln nahm er plötzlich eine Bewegung wahr. Im Mondlicht blitzte etwas Weißes auf, und dann verspürte er auch schon einen kräftigen Schlag in den Rücken, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte und an den Rand des Abgrunds taumeln ließ. Verzweifelt griff er nach etwas, woran er sich festhalten konnte, und bekam im letzten Moment den unteren Teil der Felsnase zu fassen, der der Berg seinen Namen verdankte. Ihm war so schwindelig, dass sich alles um ihn zu drehen schien. Natürlich konnte er seine Pistole nicht ziehen, die er im Halfter an der linken Hüfte stecken hatte. Dazu hätte er die Felsnase loslassen müssen und wäre ohne Halt in die Tiefe gestürzt.
    Vorsichtig blickte er sich um und sah, dass er allein war.

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