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Skelett

Titel: Skelett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Wer immer ihm diesen Schlag versetzt hatte, er musste kurz darauf das Weite gesucht haben. Schwer atmend blieb Tweed eine Weile stehen, bis er prüfen konnte, ob seine Beine, die sich vorhin in den Knien weich wie Pudding angefühlt hatten, ihn wieder trugen. Nachdem er ein paar zaghafte Schritte gemacht hatte, beschloss er, den Abstieg zu wagen, der sich als ausgesprochen schwierig erwies. Immer wieder musste Tweed sich mit beiden Händen an der Felswand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Obwohl er noch nie unter Höhenangst gelitten hatte, vermied er es, nach unten zu schauen - in seinem Zustand konnte man nie wissen, ob man nicht doch beim Blick in den Abgrund von den Beinen kippte.
    Erst als er sicher unten angekommen war, gestattete er sich eine Rast. Er setzte sich auf einen großen, flachen Stein und atmete tief durch. Nach einer kurzen Erholungspause war es dann an der Zeit, den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen.
     
    Als Tweed gerade auf die Stufen zuging, die hinauf zur Terrasse führten, sah er, wie Larry aus der Richtung des Hook Nose Tor ebenfalls das Haus ansteuerte. Er trug einen eleganten weißen Anzug sowie ein weißes Hemd, eine weiße Krawatte und sogar weiße handgearbeitete Schuhe.
    »Hallo, Mr Tweed, was machen Sie denn hier?«, begrüßte Larry ihn mit seinem üblichen warmen Lächeln. »Kommen Sie doch ins Haus, wir feiern gerade eine Party«, fuhr er fort, während sie gemeinsam die Stufen zur Terrasse hinaufstiegen. »Wie schön, dass Sie hier sind, dann habe ich wenigstens jemanden, mit dem ich eine intelligente Unterhaltung führen kann. Aubreys dummes Gequatsche langweilt mich zu Tode.«
    An einer der Terrassentüren erschien Lucinda mit einem Glas Champagner in der Hand. Sie trug ein weißes Kleid.
    »Mr Tweed wird uns Gesellschaft leisten«, rief Larry munter.
    »Das ist ja wunderbar …«, begann Lucinda.
    »Leider muss ich Ihre Einladung ausschlagen«, fiel ihr Tweed ins Wort. »Ich habe noch eine andere Verpflichtung.«
    »Na, wie war’s?«, fragte Lucinda.
    »Was soll wie gewesen sein?«, wollte Larry von seiner Schwester wissen, die ihm das Glas Champagner reichte, das sie gerade von einem Tablett hinter sich genommen hatte.
    »Mr Tweed wollte den Hook Nose Tor besteigen«, erklärte Lucinda fröhlich und drehte sich zu Tweed um.
    »Ja, ich war tatsächlich oben«, sagte Tweed.
    »Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?« sagte Larry entsetzt. »Schon bei Tag ist es verdammt gefährlich, da oben herumzuklettern. Nachts kommt das fast einem Selbstmord gleich.«
    »Irgendwie ist es mir gelungen, heil wieder herunterzukommen«, sagte Tweed.
    In diesem Moment erschien Paula mit einem fast vollen Glas Champagner in der Hand. Pro forma hatte sie nur einen einzigen Schluck daraus getrunken, schien aber trotzdem aufgekratzt und bester Laune zu sein. Als sie Tweed sah, änderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig. Sie stellte das Glas rasch ab und rannte auf die Terrasse heraus.
    »Was ist denn mit Ihnen passiert? Ihr rechter Ärmel ist ja völlig verdreckt«, sagte sie aufgebracht und wischte den Schmutz mit einem Papiertaschentuch ab, das sie aus ihrer Hosentasche geholt hatte. Als sie dabei zwischen ihm und Lucinda stand, gab er ihr durch sein Mienenspiel zu verstehen, dass sie jetzt am besten keine weiteren Fragen stellte. Larry war indessen mit federnden Schritten zum Haus gegangen und drehte sich noch einmal kurz zu ihnen um.
    »Nun seien Sie doch kein Spielverderber, Tweed. Kommen Sie doch herein und feiern Sie mit uns«, forderte er ihn fröhlich auf. »Ich gehe nur kurz nach oben, um mich ein bisschen frisch zu machen, aber dann bin ich gleich wieder für Sie da.«
    »Ja, bleiben Sie doch, bitte«, stieß Lucinda jetzt ins gleiche Horn. »Sie und Paula wären unsere Ehrengäste.«
    »Bitte richten Sie Larry unseren Dank für die freundliche Einladung aus«, antwortete Tweed, »aber wie ich ihm bereits erklärte, muss ich heute noch einer anderen Verpflichtung nachgehen. Darf ich fragen, aus welchem Anlass Sie feiern?«
    »Kommen Sie, Tweed. Lassen Sie uns ein wenig auf der Terrasse auf und ab gehen«, schlug Lucinda vor und nahm ihn am Arm. »Sie kommen auch mit, Paula«, rief sie über die Schulter zurück. Dann senkte sie die Stimme. »Wir nennen das unser ›Weißes Fest‹. Deswegen sind wir auch alle so angezogen. Hin und wieder organisiert Larry eine Party für alle seine Führungskräfte, sozusagen als Dank und Belohnung für ihre Dienste.

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