Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
rief: »Clive, geh ja nicht raus«, und dann hörte ich das Knirschen seiner Schritte auf unserer Kiesauffahrt. Und Mum, die auch die Stufen runterrannte. Als ich oben an die Treppe schlich und runterschaute, sah ich, dass der Flurteppich voller Glasscherben war. Ein Stein lag auf dem Boden vor Mums Füßen und das Fenster neben der Haustür war zerbrochen.
Dad kam zurück. »Keine Spur von ihnen. Und keine Spur von einem Auto. Das beweist, dass es jemand aus der Gegend war.« Er schnappte sich das Telefon. »Ich rufe noch mal die Polizei an. ›Sprechen Sie ihn freundlich darauf an‹, haben sie gesagt. ›Warnen Sie ihn.‹ Als ob das was nützen würde. Er muss hinter Gitter.«
»Ich gehe hoch und sehe nach den Kindern«, sagte Mum. »Die Polizei soll die Sirene ausschalten, wenn sie herkommt. Morgen ist Schule.«
Ich rannte zurück in mein Zimmer. Charlie hatte von all dem nichts mitbekommen. Selbst wenn das Dach explodierte, würde er nicht aufwachen. Ich zog mir die Decke über den Kopf und tat, als ob ich schliefe, weil ich zu wütend war, um mit Mum zu sprechen. Wütend auf Steven Carlisle, diesen Abschaum auf zwei Beinen, und wütend auf Dad, weil er uns das hier eingebrockt hatte. Die Polizei würde keinen Hinweis finden, dass Steven daran beteiligt war – er hatte ganz bestimmt ein Alibi.
Mum blieb ein paar Minuten im Türrahmen stehen. Ich spürte, dass mein Täuschungsmanöver sie nicht überzeugte. Trotzdem schloss sie schließlich leise die Tür und ließ mich allein.
Ich vergrub meinen Kopf im Kissen.
Das Motorengeräusch eines Hubschraubers dröhnte laut in meinen Ohren. Lindz lachte. »Komm schon, tu es! Tu es!«
Ich hatte diesen Traum schon oft gehabt. Immer den gleichen. Immer lachte sie. Immer lief sie mit einem breiten Grinsen zur geöffneten Hubschraubertür und stürzte sich nach draußen. Und während sie fiel, rief sie: »Komm schon!«
Und immer folgte ich ihr. Mir war schlecht, meine Knie zitterten, aber ich folgte ihr.
Wir stürzten zusammen durch den Himmel und zogen zur gleichen Zeit an der Leine unserer Fallschirme. Ihrer öffnete sich nie, doch sie grinste genauso wild wie zuvor, während sie auf den einsamen Wald unter uns zuschoss. Die Kronen der Bäume wirkten wie ein sich kräuselndes grünes Meer.
Es sah friedlich aus. Das dachte ich jedes Mal.
Bis Lindz auf den ersten Baum prallte. Sie starb jedes Mal auf eine andere Art. Manchmal schlug sie mit dem Kopf auf. Manchmal fiel sie mit den Füßen voran. Dieses Mal kippte ihr Hals nach hinten wie bei einer zerbrochenen Puppe, als sie zwischen die Bäume stürzte und verschwand.
Ich schwebte hinter ihr her, bis sich mein Fallschirm in den Zweigen verfing und ich in den Gurten hängen blieb. Der Baumwipfel über mir schnellte wieder an seinen Platz zurück – aus der Luft würde mich niemand mehr sehen.
Unter mir, weit unter mir, lag Lindsays Leichnam auf dem Boden. Und ich baumelte dort. Verborgen in den Bäumen, wo mich niemals jemand finden würde.
10_Ryan
Keine Lohntüte fühlt sich besser an als die erste. Vor allem, wenn man einen Zehner extra bekommt, weil man die Kunden im Laden bei Laune gehalten hat. Pete war beeindruckt, wie geduldig ich mit den älteren Kunden umging und wie viel Geld dadurch in seiner Kasse landete. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass es mir nicht schwerfiel, über diesen ganzen Hausbootkram zu sprechen – das war schließlich auch Mums Thema. Doch er unterbrach mich lachend und sagte mir, ich solle mich den Rest des Tages irgendwo amüsieren.
Ich radelte ins Stadtzentrum und ging in einen Kunstgewerbeladen mit bimmelndem Türvorhang aus Metallglöckchen. Einige von Mums Schmuckstücken wurden auf der Theke in einem verschlossenen Glaskasten zum Verkauf angeboten. Zwei Frauen beugten sich darüber und betrachteten die Sachen. »Oh, Sandra, die sind ja wundervoll. Hast du die neu reinbekommen?«
»Ja, ich bin auch ziemlich begeistert davon. Ausgezeichnete Qualität, alles handgefertigt und hier aus der Gegend«, erwiderte die Frau hinter der Ladentheke. Als sie mich bemerkte, blickte sie kurz auf. »Kann ich dir helfen?«
»Ich suche ein Geschenk«, sagte ich. »Haben Sie Räucherstäbchenhalter?«
Sie lächelte wie ein Wachmann, der dich im Auge hat, und deutete auf ein Regal hinten im Laden. »Wir haben auch eine große Auswahl an parfümierten Räucherstäbchen«, fügte sie hinzu, es hörte sich an wie in einer Werbesendung.
Die einfachen Metalldinger interessierten mich
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