Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
gegangen. Unterwegs habe ich den Wodka ausgetrunken. Ich bin in die Futterkammer, direkt neben dem Pferdestall. Es war kalt, und mir war ganz schwindelig vom Alkohol, deshalb habe ich ein bisschen Stroh aus einem Strohballen gezogen und darauf meinen Rausch ausgeschlafen. Am nächsten Morgen bin ich wieder aufgewacht und noch so lange dort geblieben, bis es hell wurde.«
»Als du Carlisle das letzte Mal gesehen hast, war es also halb sieben?«
»Genau.«
»Warum hat er dich angegriffen?«
»Weil er mich nicht mochte.«
Der Kommissar, der die Fragen stellte, starrte mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. »Warum?«
»Weil wir herumziehen. Und weil ich mich mit Jenna treffe. Außerdem hatte er was gegen ihren Vater, der diese Aktionsgruppe leitet.« Ich dachte an Coles Aufforderung, absolut ehrlich zu sein. »Und weil ich einem Kerl, den er kennt, eine verpasst habe, als er etwas wirklich Mieses mit meiner Freundin gemacht hat.«
Er blickte auf seine Notizen. »War das der Zwischenfall im Whitmere Rugbyklub?«
»Ja.«
»Erzähl uns, was passiert ist.«
Ich ging alles noch einmal durch: wie ich Ed zu Boden geschlagen hatte und Carlisle hinter mir herkam, wie er mich bedroht hatte, bis der Typ vom Klub auftauchte.
»Hast du seine Drohungen ernst genommen?«
»Nein, ich hab ihn nur für ein Großmaul gehalten, das vor seinen Freunden angeben will. Wenn man herumzieht, gewöhnt man sich an so was. Bis zu diesem Abend in Strenton habe ich ihn nicht mehr wiedergesehen.«
»Hast du Steven Carlisle umgebracht?«, fragte der zweite Kommissar plötzlich und erwischte mich damit kalt.
»Nein!« Ich schluckte und versuchte, ruhig zu bleiben. »Nein. Als ich ihn zum letzten Mal sah, war er noch am Leben und rannte davon. Das schwöre ich.«
Sie glaubten mir nicht, ich sah es an ihren Gesichtern.
51_Jenna
Ich saß im Schneidersitz da, mit dem Rücken an der Bootstür. Es war halb sechs und ein kleines Stück des Mondes schimmerte aus den Wolken über den Weiden hervor. Er ließ das darunterliegende Wasser silbrig grau leuchten. Der Rest des Kanalufers war in Dunkelheit getaucht.
Ich zog meine Jacke noch fester um meinen Körper und schob die Knie eng an die Brust.
Er sollte längst zu Hause sein. Und wo war Karen?
Aus dem Weidendickicht ertönte das Geschrei eines Fuchses, es ging mir durch Mark und Bein.
Inzwischen hatten Mum und Dad wohl bemerkt, dass ich weggeschlichen war. Eigentlich wollten sie zum Abendessen ausgehen. Wahrscheinlich würden sie das jetzt absagen.
Mein Handy klingelte – Dad.
»Mir geht es gut«, sagte ich über sein Gebrüll hinweg. »Ich komme später nach Hause. Lass mich in Ruhe.« Ich klappte das Handy zu und schaltete es stumm. Er rief wieder an und diesmal drückte ich den Anruf weg.
Ich lehnte meinen Kopf gegen die Tür und wartete.
Die Wolken zogen über den Himmel und bedeckten den Mond.
In der Dunkelheit war das entfernte Brummen eines Motors zu hören. Ein Motorrad, ein großes. Es blieb einen Augenblick an der Brücke stehen und fuhr dann dröhnend weiter.
Ich schob meine Hände in die Jackenärmel, um meine Finger zu wärmen.
Schritte knirschten auf dem Kies. Ich schaltete die Taschenlampe an und leuchtete damit auf den Pfad. Ryan blinzelte, als ihm das Licht direkt in die Augen schien.
»Wo warst du?« Mit steifen Knien sprang ich auf, um zu ihm zu gehen, doch da war er schon bei mir. Er umarmte mich, und ich spürte, dass er zitterte. »Was ist passiert?«
»Erzähle ich dir gleich«, sagte er und beugte sich so weit herunter, dass er sein Gesicht an meinem Hals vergraben konnte.
Es gibt kein anderes Mädchen. Alles ist gut.
Ich rieb ihm über den Rücken. »Kann ich reinkommen?«
Er ließ mich los. »Ja, tut mir leid. Du frierst ja. Ich mache den Ofen an und setze Wasser auf.« Er griff in seine Tasche und zog einen Schlüssel hervor.
Ich schwieg, während er Feuer machte und Tee aufgoss. Er stellte die Becher auf den Tisch und zog mich auf seinen Schoß. Er klammerte sich an mich, als wäre das nötig, um alles zusammenzuhalten.
»Was ist los?«, flüsterte ich.
»Sie haben mich verhört.«
»Warum?« Ich richtete mich auf.
»Carlisle.«
»Aber –«
»Ich musste am Montag eine DNA-Probe abgeben. Das Ergebnis ist da.«
»Warum hast du mir das nicht erzählt? Und wieso ist das Ergebnis schon da? Bei Dad hat es Wochen gedauert.«
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Bei deinem Vater hat es so lange gedauert, weil sie zuerst die
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