Skinwalker 01. Feindesland
halb schnaubendes, halb grunzendes Geräusch von sich, und ich hörte Wasser plätschern, als sie Angelina aus der Wanne hob. »Heute Abend schon zweimal. Viel Spaß. Ruf mich an .«
»Mach ich .« Jetzt fühlte ich mich zehn Kilo leichter. Ich ließ meinen Kram auf dem Boden im Wohnzimmer liegen und ging den Kühlschrank inspizieren. Dreißig Pfund Frischfleisch füllten das mittlere Fach. Beast hechelte vor Gier, obwohl sie es nicht mochte, wenn ihr Fleisch kalt war. Ich riss das Papier von einem Fünf-Pfund-Paket und legte die Steaks in die Mikrowelle, nur kurz, um ihnen die Kühlschrankkälte zu nehmen. Inzwischen suchte ich mir meine Utensilien zusammen. Als die Mikrowelle pingte, trug ich das Fleisch nach draußen, unter dem einen Arm eine Rolle Küchenpapier, unter dem anderen meine lederne Tasche zum Umschnallen und einen Reißverschlussbeutel. Beast drängte sich zunehmend in mein Bewusstsein. Schon fühlte es sich seltsam an, auf zwei Beinen zu gehen.
Ich stellte den Teller mit den rohen, blutigen Steaks auf den Boden und wischte mir die Hände ab. Beast wollte sie ablecken, aber ich verweigerte das. So weit hatte ich mich gerade noch im Griff. Ich zog meine Kleider aus und legte sie zusammen. Mein Magen knurrte. Ich hechelte und sabberte. Hunger , sendete sie.
Ich bin ein Skinwalker – eine Gestaltwandlerin – und die Letzte meiner Art, soweit ich weiß. Mithilfe von genetischem Material kann ich die Gestalt beinahe jeden Tieres annehmen, wobei es einfacher ist, wenn die Spezies dieselbe Masse hat wie ich. Sich fremde Masse zu leihen, um die Genetik eines größeren Tieres auszufüllen, ist schmerzhaft und gefährlich, darum hatte ich es noch nicht oft versucht. Genauso heikel ist es, in den Körper eines kleineren Tieres zu schlüpfen, denn dazu muss ich Masse abwerfen und irgendwo zwischenlagern, und das bedeutet zugleich, dass ich einen Teil von mir von meinem Bewusstsein unbewacht lasse. Die Angst, dass es weg ist, wenn ich zurückkomme, lässt mich vorwiegend Tiere wählen, deren Größe mit meiner übereinstimmt. Bei dem Gedanken fauchte Beast. Sie konnte es nicht leiden, wenn ich die Gestalt eines anderen, fremden Tieres annahm.
Beast ist kein Bestandteil meiner Gestaltwandler-Natur. Sie ist ein selbstständiges Wesen, das sich mit mir einen Körper teilt und zuweilen auch meinen Geist beherrscht. Ich habe keine vollständige Kontrolle über sie. Es kann vorkommen, dass es mir nicht gelingt, sie zu bändigen, wenn sie an die Oberfläche drängt. Und tief in meinem Inneren weiß ich, dass andere Skinwalker, falls es sie irgendwo noch geben sollte, keine Beast-Seele in sich tragen. Wie es kam, dass wir miteinander verschmolzen? Ich weiß es nicht mehr. Wenn ich darüber nachdenke, verspüre ich ein diffuses Unbehagen. Außerdem habe ich den Verdacht, dass Beast darüber Bescheid weiß, es mir aber nicht offenbart.
Ich legte die Hüfttasche an und zupfte meinen Anhänger zurecht, ein Goldnugget an einer doppelten Goldkette, das ich sonst unter meiner Kleidung versteckt trage. Die Kombination erinnerte an ein Halsband mit Notausrüstung, wie es die Rettungshunde in den Schweizer Alpen tragen. Ich beugte mich nach vorn und kratzte mit dem Nugget über die Kuppe des höchsten Felsblocks, sodass es einen feinen Strich aus Gold hinterließ. Für mich so etwas wie ein Ortungssignal.
Jaaaa. Jagen , sendete Beast eifrig. Groß!
Beast war bereit, ihr neues Revier zu erkunden, aber leider neigte sie zur Angriffslust und hatte sich schon manches Mal mit einem Rudel Hunde, einem Keiler oder anderen Tieren angelegt, denen man besser aus dem Weg ging. Wenn ich an einem uns noch fremden Ort erstmals mit ihr wechselte, war sie immer besonders kampflustig. Dann forderte sie, dass ich Energie aus dem Fetisch des afrikanischen Löwen zog und zusätzlich zu meinen sechzig Kilo noch an Masse zulegte. »Groß ist gefährlich « , murmelte ich. »Heute Nacht sehen wir uns nur um. Groß kommt später .«
Sie schnaubte höhnisch. Groß immer besser. Groß jetzt!
Doch ich spürte, dass sie nicht darauf beharren würde. Zwar war Beast in meinem Bewusstsein immer präsent, doch sie kommunizierte mit mir als eigenständiges Wesen mit einem eigenen Willen und persönlichen Bedürfnissen. Und heute Nacht war es ihr wichtiger zu jagen, als einen Streit zu gewinnen.
Als Nächstes legte ich neben dem Fleisch die drei blutgetränkten Stofffetzen vom Tatort auf den Boden und stellte einen Blumentopf mit Geranien darauf, damit
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