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Skinwalker 01. Feindesland

Skinwalker 01. Feindesland

Titel: Skinwalker 01. Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faith Hunter
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sie nicht weggeweht wurden. Dann stieg ich auf die Findlinge und setzte mich oben auf den noch sonnenwarmen Stein. Moskitos umschwärmten und bissen mich. An die hatte ich gar nicht gedacht. Beast fauchte verächtlich.
    Ich öffnete den Reißverschlussbeutel und zog eine der eigentümlichen Halsketten heraus – die, die ich am meisten benutze. Sie sah aus wie ein Totem oder Fetisch, aber für mich war sie viel mehr als das. Die Halskette des nordamerikanischen Berglöwen, auch Puma, Panther oder Kuguar genannt. Gefertigt aus den Krallen, Zähnen und kleinen Knochen des größten Pumaweibchens, das ich je zu Gesicht bekommen hatte. Ein Rancher in Montana hatte die Silberlöwin bei einer legalen Jagd getötet. Das Fell und der Kopf hingen in seinem Wohnzimmer, aber Knochen und Zähne landeten bei einem Tierpräparator. Der Puma war in den westlichen Bundesstaaten der USA zur Jagd freigegeben, in den östlichen Staaten dagegen ausgestorben, zumindest zeitweilig. Angeblich sollten östlich des Mississippi in letzter Zeit wieder Pumas gesichtet worden sein. Ein Hoffnungsschimmer. Ich brauchte die Halskette nicht unbedingt, um diese Gestalt anzunehmen – anders als bei anderen Arten war Beasts Gestalt ein Teil von mir – , aber es fiel mir damit leichter.
    Die Kette in den Händen, schloss ich die Augen. Entspannte mich. Lauschte dem Wind, spürte den Ruf des Mondes, der sich alszunehmendeSichelnochhintermHorizontverbarg.IchhorchteaufmeinenHerzschlag.Beasterhobsich,lautlos,ganzRaubtier.
    Ich verlangsamte meine Körperfunktionen, meine Herzfrequenz, streifte mein Bewusstsein ab, konzentrierte mich einzig auf das Ziel dieser Jagd. Dieses Ziel prägte ich in die Unterseite meiner Haut, in die tief gelegenen Teile meines Unterbewusstseins, damit ich es nicht vergaß, wenn ich mich wandelte. Ich sank tiefer. Hinab in die Dunkelheit, in eine graue Welt aus Schatten, Blut und Ungewissheit und uralten, nebelhaften Erinnerungen. In der Ferne hörte ich Trommeln, roch Kräuter und Holzrauch, und der Nachtwind auf meiner Haut schien kühler zu werden. Im Hinabsinken verfestigten sich Erinnerungen, Erinnerungen, die sonst halb vergessen waren, sowohl meine als auch Beasts.
    Wie man es mich vor so langer Zeit gelehrt hatte – sicher meine Eltern, oder ein Schamane? – spürte ich der inneren Schlange nach, die in den Knochen und Zähnen der Halskette verborgen war: die biegsame, gewundene Schlange tief in den Zellen, in den Resten von Knochenmark. Die Wissenschaft hatte ihr einen Namen gegeben. RNA . DNS . Die Genketten einer ganz bestimmten Art, einer bestimmten Kreatur. Für mein Volk, für die Skinwalker, war es seit jeher einfach »die innere Schlange « – diese Bezeichnung gehörte zu dem Wenigen, was ich aus meiner Vergangenheit noch wusste.
    Ich griff nach der Schlange, die in den Tiefen aller Geschöpfe liegt. Und verlor mich darin. Wie Wasser in einem Fluss. Wie Flocken im Schnee, der als Lawine den Berghang hinunterrollt. Die Welt verblasste, Grau umgab mich, glitzernd und kalt. Und ich war an dem grauen Ort des Wandels.
    Meine Atmung wurde tiefer. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Und meine Knochen … verschoben sich. Meine Haut kräuselte sich. Mir wuchs Fell, lohfarben, grau und braun mit schwarzen Spitzen. Wie ein Messer fuhr der Schmerz zwischen Muskeln und Knochen. Meine Nasenlöcher blähten sich, sogen tief die Luft ein.
    *
    Sie rutscht weg. Die Nacht wird lebendig – wundervoll, neue Gerüche, wie Nebel in der Luft, dicht und tanzend, wie Strömungen in einem Fluss, und doch jeder für sich deutlich wahrnehmbar. Salz. Menschen. Alkohol. Fisch. Schimmel. Menschliche Gewürze. Blut . Ich hechele. Horche auf die Laute – Autos, Musik von überall her, laute Stimmen. Kauere mich nieder – geschmeidig, so nennt sie mich.
    Hässliches menschengemachtes Licht, dessen Schatten in mein Sichtfeld schneiden. Trotzdem ist alles klar und scharf. So sieht sie nie. So riecht sie nie. Ich strecke mich. Vorderbeine und Brust. Hinterbeine, Rücken, Bauch. Etwas klickt. Dinge aus ihrem Haar rollen vom Felsen. Vorsichtig packe ich mit meinen tödlichen Zähnen die Kette, die ihr entfallen ist. Springe vom Stein. Lande sicher auf vier Pfoten. Sehe mich im Garten um. Keine Feinde. Keine Fleischräuber. Lasse Kette neben Fressen fallen. Schnüffle. Ekel. Altes Fleisch. Tote Beute. Das Blut schon lange kalt . Meine Schwanzspitze zuckt. Will jagen. Will warmes Blut schmecken. Aber der Bauch grollt. Immer so nach dem Wandel.

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