Skinwalker 01. Feindesland
Annehmlichkeiten gedacht.
Ich rollte mich herum, zog mir ein Kissen unter den Nacken und ließ meine Gedanken schweifen. Heute Nacht hatte Rick LaFleur den Bürgermeister zu Hause angerufen, vermutlich auf Annas Betreiben. Anna schlief mit dem Bürgermeister, Rick und dem Leberfresser in einer mir unbekannten Gestalt, es sei denn, der Bürgermeister war der Leberfresser – doch er roch nicht so, daher verwarf ich den Gedanken sofort.
Rick spionierte den Vamps nach, so viel war klar. Aber was tat er noch? Auf jeden Fall arbeitete er nicht für den Bürgermeister, denn der wusste offenkundig nicht, was Rick im Schilde führte. Vielleicht war er ein Polizeispitzel. Oder hinter meiner Prämie her. Oder er bespitzelte die Vamps für einen mir noch unbekannten Dritten. Ich musste an ihm dranbleiben.
Beast schickte mir ein Bild, noch verschwommen vom Schlaf. Rick auf dem Rücken, ihre Pranken auf seiner Brust, die Krallen leicht in seine Kehle gebohrt. Ich kicherte, froh, dass sie mit mir sprach. Sie schickte mir das Bild eines Hirschs und glitt zurück in ihre Träume. Ich rollte mich aus dem Bett.
Heute Abend musste ich wieder auf die Jagd gehen. Wenn ich mir die Zehn-Tage-Prämie sichern wollte, musste ich den Rogue innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden aufspüren und töten. Ich hängte die sauer riechenden, vom Poolwasser nassen Kleider aus der Hüfttasche zum Trocknen auf, rollte eine hauchdünne Hose, T-Shirt, Unterhose und ein Paar dünnsohlige Schuhe um die Kreuze und Pflöcke, steckte alles in die Tasche und zog den Reißverschluss zu.
Dann aß ich etwas, legte rohes Fleisch auf den Rasen im Garten, zog mich aus und kletterte auf die Steine. Noch nie hatte ich mich so viele Nächte in Folge gewandelt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es mich so sehr anstrengen würde. Und dass ich Beast dadurch so viel Kontrolle einräumte und dass sie dabei so dickköpfig wurde. Ich hatte auch nicht erwartet, dass es heute Abend so wehtun würde. Der Schmerz riss mich schier in Stücke, schlug seine Krallen in mich wie in ein Beutetier. Beast stürmte auf die graue Leere zu, ungeduldig, gierig nach dem Wandel, gewaltsam. Die Felsblöcke barsten und brachen auf. Es klang wie Donner.
*
Ich purzele von den Felsen. Zerbrochene Steine regnen auf meine Tatzen. Große Pranken. Ich krümme sie spielerisch. Gebogene, lange Krallen dringen hervor. Größer als sonst. Ich bin groß. Ich mag groß. Große Katze. Groß wie Leberfresser.
Jane hat Angst vor groß. Was hast du getan? , fragt sie.
Ich knurre zornig. Lege meine Pranke auf sie, drücke sie nieder, die Krallen an ihrer Kehle, ihr Bauch zeigt entblößt nach oben. Jane ist Beta, ich bin Alpha. Ihre Kette und ihr Pack sind mir zu eng. Nicht gut. Aber es ist besser, groß zu sein. Große Katze . Ich springe auf die Mauer, stürme in die Nacht hinein. Finde einen Lastwagen, fahre über den Fluss, wittere, die Nase hoch im Wind. Der Lastwagen schwankt, die Bewegung beruhigt mich. Jagen , singe ich. Wir jagen .
Der Mond wird dick. Noch nicht schwangerer Jagdmond. Gibt genug Licht, kann tief unter das Wasser sehen. Spiegel-Mond zerbricht auf der Haut des Flusses in kleine Stücke wie Blutspritzer, versprüht vom Wind.
Der Lastwagen dreht ab. Jane sieht ein Schild: BAYOU SEGNETTE STATE PARK . Schnell springe ich von dem Lastwagen auf den Boden, lande, rolle, rolle, rolle. In einen Graben. Brackiges Wasser. Stinkt nach Hundedreck. Mit einem Satz bin ich heraus. Hundedreck überall an mir. Blutspritzer erzählen die Geschichte. Hund wurde auf der Straße angefahren und hier heruntergeschleudert. Jetzt liegt toter Hund – Blut und Eingeweide – überall auf der Böschung. Fauchend, gereizt, schüttele ich das Fell. Renne in den Schatten. Sie ist amüsiert. Ich nicht. Ich rieche nicht wie Hund . Nein, nein . Sie tröstet mich. Ich schleiche über das Gelände, suche nach Wasser. Vor mir liegen Teiche, ohne toten Hund. Guck auf das Schild , sie bittet mich wie ein Beta seinen Alpha. Ich schaue hoch. DRAKE AVENUE . Ich gehe weiter. Finde Wasser und springe hinein.
Wälze mich hin und her, um toten Hund abzuwaschen. Etwas bewegt sich im Wasser. Raus da! , schreit sie. Ich stoße mich vom Grund ab, springe aus dem Wasser, die Vorderpranken gestreckt, die Krallen ausgefahren. Lande. Wirbele herum. Tropfen fliegen. Aus dem Wasser klappen riesige Kiefer. Scharfe Zähne ragen aus dem Teich. Ich fauche. Huste.
Alligator , sagt sie.
Alligator ist böse.
Ich mag sie auch
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