Skinwalker 01. Feindesland
– schnell rief ich mir in Erinnerung, dass ich mir nicht anmerken lassen durfte, dass ich sie kannte.
Jodi und ich standen zwei Schritte vor dem Podium, Schulter an Schulter. Ich kam mir vor wie ein kleines Mädchen, das ins Büro des Direktors gerufen wird. Das halb hysterische Kichern machte einen dritten Befreiungsversuch. Mit geblähten Nasenflügeln witternd wandten sich die Vamps uns zu.
Rafael Torrez, Nachkomme und Erbe des Mearkanis-Clans, lehnte sich vor, die Augen beinahe schwarz. Offenbar durfte er den Anfang machen.
»Ihr Auftrag lautete, einen Rogue zu töten. Nun haben wir gehört, dass das Wesen, das Sie heute Nacht getötet haben, nicht einer von uns war. Warum sollten wir Sie also bezahlen ?«
Wut stieg in mir hoch. Diese Widerlinge wollten mich übers Ohr hauen. Gefahr. Auf einmal nahm ich alles wie in Zeitlupe wahr. Beast sah durch meine Augen. Knurrte laut in meiner Kehle. Drohend.
Augenblicklich schoss Blut in das Weiße von Rafaels Augen, und er lief hochrot an. Seine Pupillen weiteten sich. Es war wie der Kontrollverlust eines jungen Vampirs.
Die anderen Ratsmitglieder wichen zurück, schockiert über seinen Fauxpas. Aber Rafael machte keinen Rückzieher. Mit einem leisen Klick fuhren seine Fangzähne aus. Die Pheromone von Gewaltbereitschaft füllten den Raum. Wenn ein Vamp eine Drohhaltung einnimmt, verbreitet er einen besonderen Geruch; scharf und stechend. Und in einem Raum voller Vampire ist er besonders intensiv. Neben mir erstarrte Jodi. Zwei andere Vampire versuchten, ihre eigene Reaktion auf Rafaels Geruch in den Griff zu bekommen. Jodi trat ein paar Schritte zurück, die Hand an der Waffe, die sie nicht dabeihatte. Ihre Angst wurde noch größer. Der Geruch menschlicher Beute. Raubtieraugen. Für einen Moment lag Gefahr in der Luft wie Gift.
Die Vamppriesterin, die neben Rafael saß, legte ihm die Hand auf den Arm. »Sei ruhig « , sagte sie, und in ihrer Stimme lag so viel Kraft, dass es fast magisch war. Aber ihre Augen waren auf mich gerichtet. Falkenaugen, die zu viel sahen.
Ich konnte nicht anders. Ich begann zu lachen. Alle Vamps drehten mir gleichzeitig die Köpfe zu, wie bei einer Zirkusnummer. Jetzt rochen sie erzürnt und beleidigt – Gewalt einer anderen Art. Ich hob entschuldigend eine Hand, als wollte ich meinen Belustigungsausbruch wegwedeln. Die Vamps starrten mich nur an. Jodi holte zittrig Atem.
Als ich mich wieder unter Kontrolle hatte, sagte ich: »Das Ding, das Immanuels Platz eingenommen hat, hat seit Jahren unter Ihnen gelebt, ohne dass Sie Verdacht schöpften. Sie haben es erst bemerkt, als er verrückt wurde und angefangen hat, sich von Menschen zu nähren und sie umzubringen, und seine Vampfreunde ebenfalls. Wollen Sie mir vielleicht weismachen, er hätte nicht wie ein Vamp gerochen? Er hätte sich nicht wie ein Vamp genährt? Soweit es die Öffentlichkeit angeht, war er ein Vamp, der sich in etwas anderes verwandelt hat. Etwas, das noch viel schlimmer war .« Ich sah, wie einige Augen aufblitzten, als sie die Beleidigung hörten. Pech. Das Leben ist hart. Jodis Angst nahm noch zu. Ihr Körper spannte sich unentschlossen.
»In meinem Vertrag steht, dass ich den Rogue, der New Orleans unsicher macht, ›beseitigen‹ soll. Das habe ich getan, und zwar innerhalb der Frist von zehn Tagen, die mir eine zusätzliche Prämie garantiert. Und die fordere ich jetzt ein. Die Tatsache, dass er einen Vamp gefressen und seine Identität angenommen hat, ist nicht mein Problem .«
Sie hoben kollektiv das Kinn, und mir ging auf, dass ich sie mehrfach Vamps genannt hatte. Wie unhöflich von mir.
»Ich habe die Bilder des toten Rogue bereits auf meine Webseite hochgeladen. Auf einem sind ganz deutlich seine Zähne zu sehen. Die Bildunterschrift lautet: ›Säbelzahnvamp‹. Und dazu beschreibe ich kurz, wie ich ihn erlegt habe. Wenn Sie mich nicht bezahlen, werde ich überall im Netz verbreiten, dass der Vampirrat von New Orleans sich nicht an vertragliche Vereinbarungen hält. Dann setze ich meinen Vertrag direkt neben die Aufnahme von seinen Zähnen. Soll doch die Öffentlichkeit entscheiden, ob ich meinen Teil erfüllt habe .«
Die Luft schwirrte von den Pheromonen wütender Vampire, scharf wie Pfeffer und Wodka. Drei der Clanoberhäupter hielten die Tischkante umklammert, das Weiße der Augen blutrot, die schwarzen Pupillen riesig. Jodi atmete heftig, ihr Herz hämmerte schnell. Kampf oder Flucht. Die Reaktion einer Beute. Nicht sehr klug von ihr. Das
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