Skinwalker 01. Feindesland
Pellissier und seine rechte Hand, sein Blutdiener und Bodyguard. Ich hielt die Waffe so, dass sie sie nicht sehen konnten, zog das kleine Silberkreuz, das ich um den Hals trug, unter dem T-Shirt hervor, holte tief Luft, legte mein Gewicht gleichmäßig auf beide Beine und öffnete die Tür. Als der Bodyguard ein unbekanntes Gesicht und das plötzlich hell schimmernde Kreuz sah, zückte er ein Messer und griff an.
Ich machte einen schnellen Schritt zur Seite und streckte ein Bein aus. Er stolperte. Der älteste Trick der Welt.
Noch ehe er den Boden berührte, war ich auf ihm und drückte ihm Trolls 45er in den Nacken. Wir schlugen hart auf. Er zappelte. Mein Herz hämmerte. Beast knurrte scharf.
Blitzartig spürte ich das Gewicht des Vamps auf meinem Rücken. Seine Hände schlossen sich um meine Kehle. Verfingen sich in meinen Zöpfen. Er fauchte. Mit einem leisen Schnappen fuhren seine Fangzähne aus. Strichen über meine Halsbeuge. Das Raubtier setzte zum Todesbiss an.
Ich riss den Kopf nach hinten. Mein Schädel traf auf etwas, das weicher war. Ich hörte, wie mit einem Uff die Luft aus meinem Gegner wich. Der Druck an meinem Hals ließ nach. Ich presste das Kreuz auf den Handrücken des Vamps.
Er heulte auf. Fiel von mir ab. Ich rollte mich herum und zog den Bodyguard mit, den Lauf der Waffe in seinen Nacken gedrückt, bis sein Körper auf mir lag und mich schützte. Der Gestank von menschlichem Schweiß und Vampirpheromonen lag schwer in der Luft. Dieser hier roch nach Anis und altem Papier, vielleicht Papyrus, und Tinte aus Blättern und Beeren.
»Noch eine Bewegung, und ich erschieße Ihren Blutdiener « , sagte ich mit leiser, kalter Stimme. Leo hielt inne, mit dieser unmenschlichen Plötzlichkeit, mit der ein Vamp vom Kampf zur vollständigen Reglosigkeit wechseln kann. »Wenn Sie mir zuhören, lasse ich ihn am Leben .« Er rührte keinen Muskel. Ich spürte, wie der Diener sich anspannte, und packte seinen Hals so fest, dass sich meine Fingernägel in seine Luftröhre gruben. Unsanft presste ich ihm den Lauf unters Ohr. »Wenn Sie sich wehren, reiße ich Ihnen die Kehle raus, und anschließend enthaupte ich Ihren Meister. Sie haben die Wahl .« Erschrockene Stille breitete sich in der Empfangshalle aus. Langsam erschlaffte er. »Kluge Entscheidung « , bemerkte ich.
Dann richtete ich den Blick auf die dunkle Silhouette vor der offen stehenden Tür. »Leonard Pellissier? Ich bin Katies ›auswärtiges Talent ‹.« So hatte der Typ mich genannt. »Auftragskillerin, vom Rat engagiert, um den Rogue auszuschalten. Ich möchte wirklich keinen von Ihnen töten, aber ich werde es tun, wenn ich muss. Das Blut, das Sie riechen, habe ich nicht vergossen. Ich bin nicht Ihre Feindin .« Nun, das konnte sich schnell ändern, aber hier schrieb ja niemand mit. »Gehen Sie auf Abstand .«
Er rückte von mir ab. Ich packte den Schläger fester. »Werden Sie schön brav sein ?«
Ich spürte unter meiner Hand, wie er schluckte. Hoch und pfeifend, weil ich ihm immer noch die Luftröhre abdrückte, stieß er hervor: »Ja .« Er meinte es ernst, das hörte ich an seinem Ton, roch es an seinem Körper zusammen mit Leos Besitzermarkierung – Vampgeruch. Ich ließ los. Der Schläger kam auf die Füße und ich mit ihm, wobei ich ihn zwischen Leo und mir hielt. Er drehte sich um und schloss die Tür. Als er sich mir wieder zuwandte, wobei er schräg vor Leo stand, sicherte ich die 45er. Reines Glück, dass sie nicht losgegangen war, als wir uns auf dem Boden wälzten. Es war dumm, sich mit der Waffe in der Hand auf eine Rauferei einzulassen, selbst wenn man einen Vamp zu konfrontieren hatte. Nicht dass ich groß die Wahl gehabt hatte. Höchstens zwischen Pest und scharfzahniger Cholera.
»Sie riechen nicht nach Mensch. Was sind Sie ?« Leo probierte seine weiche, honigsüße Vampstimme an mir aus, es klang wie die Verheißung eines atemberaubenden Schäferstündchens.
»Hören Sie auf damit « , sagte ich. »Das wirkt bei mir nicht .«
»Sie hat geknurrt, Boss « , bemerkte der Schläger. »Als sie mich zu Boden geworfen hat .«
»Ich hab’s gehört. Was sind Sie ?«
»Das geht Sie nichts an .«
»Wessen Blut rieche ich da ?« , fragte Leo.
»Katie hat – « Ich brach ab. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Dass Katie versehentlich zu viel Blut getrunken hatte, war ungefähr so, als hätte sich ein Erwachsener in die Hose geschissen oder öffentlich Popel gegessen. Superpeinlich oder schlichtweg dumm.
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