Skinwalker 01. Feindesland
anrufen ?« , sagte sie flehend.
»Warum tun Sie es nicht ?«
»Ich weiß nicht, wie « , sagte sie. Überrascht sah ich auf. Katie hielt mir ein Handy entgegen. »Ich weiß, dass die Nummer hier irgendwo im Speicher ist, aber ich weiß nicht, wie man den benutzt. Aber ich will ihn nicht allein lassen und nach … in … und die Nummer suchen gehen .«
Sie hat sie in ihrem Nest, dachte ich. Wahrscheinlich war es ein Stück entfernt. Und doch war sie schon vor Sonnenuntergang hier, vor Ort. Bei dem Gedanken stutzte ich, auch wenn ich sie meine Reaktion nicht sehen ließ. Ich drückte ein paar Tasten auf dem Handy und fand das Telefonbuch.
»Ishmael Goldstein « , sagte sie.
Ich scrollte und fand den Namen. Es klingelte, ein Mann nahm ab, und ich bat um schnellen Einsatz. Als er fragte, wer ich war, reichte ich ihn an Katie weiter. Ich musste ihr zeigen, wie man den kleinen Apparat ans Ohr hielt. Sie bestätigte, was ich gesagt hatte, dann reichte sie mir das Gerät zurück, und ich beendete die Verbindung. »Sie wissen allen Ernstes nicht, wie man ein Handy benutzt ?« , fragte ich.
Katie zuckte elegant die Achseln, den Blick auf den Troll gerichtet. »Alles ändert sich so schnell. Es gab mal eine Zeit, da änderte sich nur die Mode, nicht die ganze Lebensweise. Heutzutage muss man ständig mit allerlei Neuerungen Schritt halten. Das fällt mir schwer .« Als sie mir nun den Blick zuwandte, sah sie nicht mehr ganz so hilflos aus. Ihre Stimme wurde kräftiger, und sie straffte die Schultern. »Ich habe ein Telefon. Aber nicht so eins wie Tom. Er kümmert sich um alles, was mit Elektronik zu tun hat. Das ist sein Job. Dafür habe ich Angestellte .«
»Das sehe ich .« Ich hielt meinen Ton möglichst neutral. Falls sie einen Hauch von Ironie in meiner Stimme wahrnahm, ließ sie es sich nicht anmerken. »Wollen Sie mir sagen, was Sie vorhin so aufgebracht hat ?«
Katie legte die langen Finger einer Hand an ihre Kehle. »Als ich aufwachte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte, aber nicht, was. Und dann hat Leo mich kontaktiert .« Leo, das war Leonard Pellissier, Vorsitzender des Vampirrats von New Orleans, wie ich aus den Unterlagen wusste. »Er sagte mir, dass Ming nicht wieder aufgewacht ist. Als ihr menschlicher Diener ihr Nest betrat … « Katie hielt den Atem an. Zwar brauchen Vamps nur wenig Luft, außer zum Reden. Aber das zeigte mir deutlich, wie verstört sie war, und das nicht nur, weil der Troll dem Tode nahe war. »Da war sie verschwunden. Ihre Gruft war voll mit Blut. Ihrem eigenen, dem Duft nach zu urteilen .« Sie sah mich an. »Leo ist auf dem Weg hierher .«
Kaum hatte sie den Satz beendet, da klingelte es. Da der Troll gerade nicht so gut beieinander war, oblag es wohl mir, an die Tür zu gehen und die Sicherheit zu gewährleisten. Ich reichte die Salzlösung an Katie weiter und zeigte ihr, wie sie den Beutel drücken musste. Dann durchsuchte ich die Taschen des Trolls nach Waffen und fand einen Vampkiller, eine Spezialanfertigung aus Stahl mit einer dreißig Zentimeter langen, mit Silber eingefassten Klinge. Da hier ein Rogue sein Unwesen trieb, war es kein Wunder, dass Katies Bodyguard so etwas bei sich hatte. Ich selbst besaß mehrere von der Sorte.
Der Troll trug seinen um den Oberschenkel geschnallt, sodass er durch ein Loch in seiner Hosentasche immer schnellen Zugriff hatte. Möglichst ohne intim zu werden, löste ich das Futteral und schnallte es mir selbst ans Bein. Dann entsicherte ich die 45er und ging, den Finger am Abzug, vom Büro in die Eingangshalle. Auf dem Weg öffnete ich den Schrank, in dem ich tags zuvor meine Waffen verstaut hatte, und holte mir den Pflock aus der Ecke. Wenn man auf fremdem Territorium einem Vamp gegenübertritt, ist es ratsam, einen Pflock zur Hand zu haben. Ich schob ihn in meinen Hosenbund und hoffte, dass ich mich nicht versehentlich selbst verletzte. Er war höllisch spitz.
Die Tür besaß keinen Spion – also auch keine Schwachstelle, wo jemand von außen hätte durchschießen können – , aber mir fiel ein großer, umgebauter Sekretär ins Auge. Als ich das obere Fach öffnete, kamen Überwachungsbildschirme zum Vorschein – ein halbes Dutzend, wovon die meisten leere Schlafzimmer zeigten und ein kleinerer den Bereich vor der Haustür. Draußen wurde es dunkel, und die Türbeleuchtung war angesprungen. In ihrem Schein standen zwei Männer – ein sehr gepflegter im dunklen Anzug und ein größerer, breitschultriger Schlägertyp. Leo
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