Skinwalker 01. Feindesland
Aus Versehen zu töten, das passierte nur jungen Vampiren, aber nicht alten, erfahrenen. Niemals. Und es kam gar nicht infrage, so etwas über eine Auftraggeberin zu sagen. Als die Pause sich in die Länge zog, hob Leo die Augenbraue. Nur eine. Er wartete.
»Ich war gezwungen, einen meiner Angestellten zurechtzuweisen .« Unvermittelt stand Katie im Flur, in einem Morgenmantel, der schimmerte wie Seide. Der dünne Stoff, frei von Blutflecken, ließ deutlich sehen, dass sie darunter nackt war, und schmiegte sich zart um ihre Schenkel. Sie hatte sich umgezogen. »Könnte dein Blutdiener uns wohl bei der Transfusion behilflich sein ?« , fragte sie. »Ich möchte ihn ungern verlieren .«
Ich verstand sofort. Es war akzeptabel, jemanden fast zu töten, um ihn zu disziplinieren, nur nicht, wenn es aus Versehen geschah. Feudalistische Vorstellungen, übernommen aus – nun ja, feudalherrschaftlichen Zeiten. Ich verstand, aber deswegen gefiel es mir noch lange nicht.
Leo sah seinen Diener an. Widerstrebend blickte der Mann von mir zu ihm, dann nickte er. Es war deutlich zu merken, dass er mich ungern mit seinem Boss allein ließ, doch er würde es tun, wenn Leo es wollte. Hoheitsvoll neigte Leo den Kopf. Der Schläger rollte den Kopf auf den Schultern, und ich hörte es zweimal knacken, als sich seine Wirbelsäule geraderückte. Dann warf er mir einen harten Blick zu, der versprach, dass er mich töten würde, wenn ich mich nicht benahm, und ging den Flur hinunter. Seine Stiefel machten weder auf dem Teppich noch auf dem Holzboden Geräusche. Leise wie ein Raubtier.
»Deine neue Leibwache ist mir mit einem Kreuz zu Leibe gerückt « , sagte Leo und streckte seine linke Hand aus. Darauf war eine nässende Brandwunde in Form eines Kreuzes zu sehen. Silber. Ich verkniff mir ein Grinsen, weil das taktisch unklug schien. Katie trat zu ihm und kniete zu seinen Füßen nieder.
»Nimm meine tief empfundene Entschuldigung an, Meister « , murmelte sie. Ihr blondes Haar fiel nach vorn und verbarg ihr Gesicht. »Darf ich dir Heilung anbieten, oder wünschst du sie selbst zu züchtigen ?«
Mist . Ich spannte mich an. Als er meine leichte Bewegung bemerkte, hob Leo einen Mundwinkel und durchbohrte mich mit seinem Blick. Ich starrte zurück, vermied es aber, ihm direkt in die Pupillen zu sehen. Schwarze Augen, milchkaffeefarbene Haut, dunkles Haar, das in sanften Wellen bis auf seine Schultern fiel. Vielleicht war er französischer Abstammung. Aristokratisch und elegant. Die Fotos wurden ihm nicht gerecht, darauf sah er ziemlich gewöhnlich aus. In Wahrheit jedoch war dieser Vamp zum Sterben schön. Die Formulierung hätte mich glatt zum Lachen bringen können, wenn ich mir nicht gerade wie ein Insekt vorgekommen wäre, das jeden Moment zertreten werden konnte.
Sein Lächeln wurde breiter, als könnte er meine Gedanken lesen. »Wenn Sie es mir gegenüber noch einmal an Achtung fehlen lässt « , sagte er, »werde ich sie töten, ganz gleich, ob sie den Rogue zur Strecke bringt oder nicht .« Er hielt Katie seine verletzte Hand hin. Ihre langen Haare verdeckten, was sie tat, doch ich roch Vampirblut, und gleich darauf erhob sie sich und bot Leo ihr blutendes Handgelenk dar. Er packte es mit der unverletzten Hand und zog sie an sich. Bei der Bewegung öffnete sich ihr Morgenmantel und gab den Blick auf eine Seite ihres Körpers frei. Das Weiße in seinen Augen färbte sich rot und seine Pupillen weiteten sich, als er die Fangzähne ausfuhr. Er führte ihr Handgelenk an den Mund, biss zu und schloss die Lippen um die Wunde. Dann saugte er. Aber sein Blick blieb auf mich gerichtet.
Ich spürte den Sog seines Mundes, als würde er von meinem Handgelenk trinken. Wärme breitete sich in meinem Bauch aus. Beast gab ein tiefes Grollen von sich, das ich kaum kontrollieren konnte. Leo lachte leise, während er trank. Unwillkürlich schloss ich die Finger um den Griff des Vampkillers. Seine Augen, rot wie Blut, schwarz wie der Tod, folgten meiner Bewegung. Dann trafen sich unsere Blicke. Ich widerstand allem, was ich in seinen Augen sah. Allem, was ich unter seinem Einfluss plötzlich herbeisehnte. Aber heiliger Strohsack, der Mann war gut. So mächtig wie der Teufel persönlich. Ich wich aus, schaute zu Boden und wusste, dass er das als Schwäche deuten würde.
Ich spürte, wie das Kreuz warm wurde, und schob das Silberschmuckstück rasch in meine Gesäßtasche. Hoffentlich hatte Leo das Aufglühen nicht bemerkt. Niemand wusste, warum
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