Skinwalker 01. Feindesland
zog ich mein Handy aus der Tasche und drückte die Fünf, die Kurzwahltaste für das Oberhaupt des Vampirrats. Nicht, dass ich Lust hatte, mit Leo Pellissier zu sprechen, aber als Ratsoberhaupt musste er vom Angriff eines außer Kontrolle geratenen Vamps auf einen Menschen erfahren. Bruiser nahm ab.
»Hier ist Jane Yellowrock « , sagte ich leise, damit mich in der stillen Nachtluft niemand hörte. »Ich muss mit Leo sprechen. In einer Angelegenheit, die den Vampirrat betrifft .«
»Sagen Sie es mir zuerst « , sagte Bruiser. »So will es Mr. Pellissier. Tut mir leid .« Er klang nicht, als würde es ihm leidtun.
Ich bog in eine schmale Gasse ein. Der Geruch des Mississippi wurde schwächer und der saure Dunst des Lake Pontchartrain stärker. Ich hatte das French Quarter verlassen und eilte in nördliche Richtung. Ich roch die Slums in der Nähe. »Also schön. Ich verfolge einen jungen Vamp, der anscheinend keinen Meister hat. Er hat eben in der Toilette einer Bar eine Frau überfallen. Ich will zu Ende bringen, was ich in der Bar begonnen habe, und ihn pfählen. Hiermit setze ich als Vampirjägerin den Blutmeister der Stadt vorschriftsmäßig davon in Kenntnis .«
»Mr. Pellissier und ich sind auf dem Weg. Geben Sie mir Ihre genaue Position « , sagte Bruiser. Ich erspähte ein Straßenschild, dessen Mast gekrümmt war, vermutlich war ein Auto dagegengefahren, und niemand hatte den Schaden repariert. Ich hatte keine Ahnung, auf welcher der beiden Straßen ich mich befand, also nannte ich Bruiser beide Namen. »Wenn Sie an der Ecke ankommen, egal aus welcher Richtung, folgen Sie dem unteren Ende des spitzen Zwei-Nächte-Mondes .«
Bruiser sagte: »Wie bitte ?«
Ich hatte in Beast-Sprache geredet. Rasch schüttelte ich den Kopf, um ihn freizubekommen. »Folgen Sie dem Mond .«
Mond ist jede Nacht ein anderer. Nie derselbe , sendete Beast. Ich ignorierte sie. »Ich bin zwei Blocks weit gegangen. Ich nähere mich seinem Nest .«
»Und woher wissen Sie das ?« , fragte er.
Weil ich ihn überall witterte. Aber das konnte ich Bruiser schlecht sagen. »Ich muss auflegen « , flüsterte ich. Ich beendete das Gespräch, stellte das Handy stumm, klappte es zu und verstaute es in der kleinen Tasche. Dann glitt ich tief in den Schatten, die Wand eines leer stehenden Hauses im Rücken.
Beast und ich haben nicht die gleichen Fähigkeiten und Stärken. Normalerweise war es Beast, die ein Nest fand. Dann kam ich bei Tageslicht, wenn Vamps nur sehr eingeschränkt handlungsfähig waren, in Menschengestalt zurück, um sie zu töten. Beasts Spürsinn war meinem weit überlegen. Dafür kämpfte ich besser – allerdings nur, weil ich zwei Hände besaß, um den Pflock und das Kreuz zu halten, wie sie mir immer wieder versicherte.
Bisher hatte noch kein Vamp Beasts Fährte als Bedrohung aufgefasst, also war es mir gleich, ob ich ihren Duft im Revier eines Vampirs hinterließ. Aber nun hinterließ ich eine menschliche Fährte. Wenn er wollte, konnte er jetzt mich jagen. Mir nach Hause folgen. Es sei denn, ich tötete ihn. Endgültig.
Ich blieb stehen, schüttelte die Arme aus und dehnte meinen Nacken. Wünschte, ich hätte Stiefel an. Und feste Kleidung, um meine Haut zu bedecken. Jeans. Meinen Kettenkragen. Mist . Ich war ganz falsch angezogen. Ich schnallte den Vampkiller samt Scheide unter meinem Rock ab, zog den hinteren Rocksaum zwischen meinen Beinen durch und stopfte ihn vorne in den Bund, sodass eine Hose entstand. Den Vampkiller befestigte ich über dem Stoff am Oberschenkel. So konnte auch der Rocksaum nicht zurückrutschen. Außer Kontrolle geratene Vamps hatten nur eins im Sinn: Fressen. Manche bevorzugten andere Stellen zum Blutsaugen, aber dieser Vamp war ein Nackenbeißer, deshalb wickelte ich mir die Kreuze gut sichtbar um den Hals, in der Hoffnung, sie würden ihn für einen einzigen, entscheidenden Moment ablenken, wenn er mich angriff und zum Biss ansetzte.
Ich rückte die normal langen Pflöcke in meinem Turban zurecht – an einem klebte noch Vampblut – und steckte die klappbaren in meinen Sport- BH . Den Vampkiller in der rechten Hand, das Kreuz in der linken, folgte ich der Fährte durch die Schatten.
Die unbeleuchtete Straße war voller Schlaglöcher und bedeckt mit Glasscherben und hier und da einigen leeren Patronenhülsen. Hohe Wohnhäuser reihten sich dicht an dicht. Manche der Wohnungen hatten noch Glas in den Fenstern. Die meisten hatten Gitter davor. Ungestrichene Holzrahmen. Keine Bäume,
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