Skinwalker 01. Feindesland
waren völlig zerfetzt. Mein Unterarm sah aus, als hätte ihn jemand durch den Fleischwolf gedreht. Mein Herz schlug schneller. Meine Atmung beschleunigte sich. Die Reaktion bewirkte, dass die Wunde erneut zu bluten begann. Das frische Blut glitzerte. Leos Augen waren immer noch blutrot, die Pupillen riesig und schwarz. Aber statt sich über das Blut herzumachen, sah er von meinem Arm zu meinem Gesicht. Mir in die Augen.
Mein Herz beruhigte sich. Mir stockte der Atem. Für einen kurzen Moment, als ich in seine Augen starrte, roch ich Salbei und Rosmarin im Nachtwind, sah Schatten auf einer Felswand tanzen. Dann war es vorbei, und ich war wieder im Wohnzimmer von Katies Haus und roch Leos Rasierwasser und seinen leicht würzigen Vampgeruch.
Der Vampir blinzelte und wandte den Blick ab. Hatte er das Gleiche gesehen wie ich? Er hielt das Gesicht an meinen Arm, neigte den Kopf, sodass die Sehnen an seinem Hals hervortraten, und atmete langsam ein. Die schönen langen Haare hatte er zurückgebunden; ein schwarzes Satinband fiel mit einer Haarsträhne über seine Schulter. Ich hätte es gern berührt, doch ich ballte die Faust, bis sich die Fingernägel schmerzhaft in meine Handfläche bohrten. Dann steckte ich die Hand zwischen mich und das Sitzkissen, auf dem ich lag.
»Erzählen Sie mir von sich « , murmelte er. Sein Ton war wie Stahl. Doch als sein Atem beim Sprechen über meine Wunde strich, wirkte er wie Balsam auf den schrecklichen Schmerz. Das Pochen ließ nach und wich einer kribbelnden Taubheit. »Sagen Sie mir, was Sie sind .« Und das Schlimme war, ich wollte es. Ich wollte es wirklich. Der Mann war gut.
Statt ihm auf der Stelle alle meine Geheimnisse zu verraten, stammelte ich: »Christin .« Ich spürte, wie der Schock den Bann lockerte, mit dem er mich zu belegen versuchte. Als ich lachte, hörte ich Beast in meiner Stimme. »Ich sage Ihnen, was ich bin, wenn Sie mir sagen, wie die Vamps entstanden sind .«
»Unverschämt « , murmelte er. »Dreist .« In seinem Blick lag eine Wärme, die noch vor einem Moment nicht da gewesen war. »Vorlaut .« Ein geheimnisvolles Lächeln flog über seine Lippen, ein fast menschliches Lächeln. Er wanderte mit der Nase meinen Unterarm entlang, hoch zum Ellbogen, und atmete meinen Duft ein. Und dann höher, zu meinem Hals. So nah.
Als er ausatmete, spürte ich es im Gesicht. Sein Atem roch pfeffrig und leicht nach Mandeln, eine seltsame Kombination, von der ich angenommen hätte, dass sie unangenehm wäre. Aber so war es nicht. Mein Bauch wurde heiß und lenkte mich kurz von meinen Schmerzen ab. »Mutig « , raunte er noch leiser, »und unhöflich .« Ich lachte – ein Laut, der mehr nach Beast als nach mir klang. Seine Pupillen wurden noch ein wenig größer. »Aber Sie riechen so gut « , stellte er fest.
Dann wandte er den Kopf. Im Schein der Lampe hinter ihm war seine gemeißelte Nase scharf wie eine Steinaxt. Er biss sich auf die Lippe. Ein Tropfen Blut quoll hervor und rann über sein Kinn. Er legte die blutigen Lippen auf meinen Arm, und der Schmerz schwand wie eine Welle, die ins Meer zurückfließt. Zischend sog ich Luft ein, als hätte er mich geküsst. Er sah mir in die Augen und lächelte. Ich spürte auf der Haut, wie sich seine Lippen verzogen. Sanft saugte er an meinem Arm, leckte meine offene Wunde sauber, in der sich unser Blut mischte, und schlagartig spürte ich keine Schmerzen mehr. Ich erschauerte vor Erleichterung, und meine Muskeln entspannten sich.
Vampspeichel ist tatsächlich ein Schmerzmittel , dachte ich und ließ mich in die Couchpolster sinken. Mein warmer Bauch flatterte. Ich seufzte zittrig. Leo lachte leise, die Lippen an meiner Haut. Die Vibrationen pulsierten wie Blut durch meinen Arm.
Er löste den Mund, seine Lippen öffneten sich, und lange, schmale Eckzähne, weiß wie gebleichte Knochen, kamen zum Vorschein. Er setzte die Spitzen auf seine Unterlippe und biss noch einmal zu. Blut floss in seinen Mund. Dann biss er in mein Handgelenk, in die verletzte Ader. Ich keuchte auf und riss meinen Arm zurück, aber er hielt ihn fest. Er hatte nicht vor, mein Blut zu trinken. Er gab mir seines.
Wieder hörte ich das Trommeln. Schatten tanzten an Steinwänden. Tuniken und Beinkleider, mit Fransen besetzter und mit Perlen bestickter Stoff und Hirschleder, flatternde Baumwollkleider, der Duft von Salbei und Beifuß, Rosmarin und Minze in der Luft. Der Rauch von Mariengras umwaberte mich. Die tanzenden Schatten kamen näher. Der
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