Skinwalker 01. Feindesland
missbrauchen, um den Gegner aus der Deckung zu locken und ihn dann zu töten.
»Im Hinterzimmer eines Juweliergeschäfts in St. Louis findet nach Ladenschluss ein Hapkido-Kurs statt. Schwarzer Gürtel, zweiter Dan. Wenn Sie wollen, kann ich eine Probestunde für Sie vereinbaren .«
»Das wäre nett .«
Ich wartete und entspannte mich ein wenig. Genug, dass er es sehen konnte, aber nicht genug, dass er einen Überraschungsschlag landen konnte.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun ?« , fragte er freundlich.
»Klar. Wo bekommt man hier ein schönes Steak zum Grillen ?« Das war meine gesellschaftsfähige Fassung der Frage: Woher kriege ich frisches rohes Fleisch?
»Der beste Laden ist der, wo ich den Inhalt Ihres Kühlschranks besorgt habe. Da liegen dreißig Pfund Sirloin-Steak bereit .«
Diesmal ließ ich mir nichts anmerken. Von meiner Vorliebe für tierisches Protein stand nichts auf meiner Webseite. Und auch nirgends sonst.
»Auf dem Küchentresen finden Sie Wegbeschreibungen zum Metzger und zum Supermarkt. Der Metzger liefert auch ins Haus « , sagte er. »Meeresfrüchte, Rind, jede Art von Geflügel, Alligator « – Beast horchte auf – , »Sumpfkrabbler, Gemüse – alles .«
»Sumpfkrabbler ?« , fragte ich mit einem vorsichtigen Schmunzeln, falls er mich wieder nur testen wollte.
»Flusskrebse. Schmecken am besten in Bier gedünstet, wenn Sie mich fragen. Ich habe auch Wegbeschreibungen für Esslokale bereitgelegt .«
»Das weiß ich wirklich zu schätzen .«
Er seufzte und verlagerte sein Gewicht auf eine Hüfte. Ich dämpfte mein Grinsen. »Sie verraten mir wohl nicht, wo die Waffen versteckt waren, oder ?« , fragte er.
»Nein. Aber ich verspreche, Ihnen nicht das Knie zu brechen, wenn Sie ihr Gewicht jetzt schnell wieder auf beide Füße verteilen .«
Er lachte auf, ein fröhliches Lachen des Einverständnisses, und stellte sich gerade hin. Er war immer noch eine Gefahr, aber wenigstens ohne Hinterlist. »Nicht schlecht, Jane Yellowrock .«
»Das Kompliment gebe ich zurück, Tom .«
»Sie dürfen mich ruhig weiter Troll nennen. Das gefällt mir irgendwie .«
Ich nickte. »Klingt gefährlich. Böse .«
»Aber ich doch nicht. Ich bin ein Schmusekätzchen .«
Fragend blickte ich vom Schrank zu ihm.
»Pardon « , sagte er und trat drei Schritte zurück.
Ohne ihn aus den Augen zu lassen, sammelte ich meine Waffen ein und steckte sie zurück in ihre Schlaufen und Scheiden, alle, bis auf einen Pflock, den ich ganz hinten in ein dunkles Eckchen schob. Die Flinte behielt ich in der Hand. Sie umzuschnallen erforderte gewisse Verrenkungen, und vor Tommy Trolls Nase mochte ich das nicht riskieren. Bei dem Gedanken musste ich lächeln, und er nahm an, dass das ihm galt. Was ja auch irgendwie stimmte. »Danke für einen interessanten Abend « , sagte ich.
»Willkommen in New Orleans. Wir sehen uns morgen .« Er nahm einen großen Briefumschlag von dem Tisch neben sich und gab ihn mir.
Ich ertastete Geldscheine, dreimal gefaltete Papiere (sehr wahrscheinlich mein Vertrag), ein paar ungefaltete Blätter und zwei Schlüssel. »Danke .« Ich nickte ihm zu, öffnete die schmale Tür und trat in die Nacht hinaus.
Mit dem Rücken zum Haus blieb ich stehen, atmete tief durch und ließ die Angst entweichen, die ich bisher kontrolliert, bezwungen, erstickt hatte. Ich grinste. Ich hatte es geschafft. Ich war einem zivilisierten Vamp entgegengetreten, hatte es überlebt und jetzt nicht nur den Job, sondern auch Geld. Beast fand meine Erleichterung belustigend. Als meine Knie aufhörten zu zittern, stopfte ich den Hefter, den Katie mir gegeben hatte, mit in den Umschlag und ging zu meinem Motorrad.
Die Nacht war nicht dunkel, nicht hier in Jazz City. Der grelle Schein der Straßenlampen und der Neon-Bierreklamen warf seltsame Muster und verzerrte Schatten, eine Folge des Dunstes, der vom mächtigen Mississippi und vom Lake Pontchartrain aufstieg. Den sie umklammernden Gewässern verdankte die Stadt ihren berühmten Gestank und eine so hohe Luftfeuchtigkeit, dass manchmal bei strahlend blauem Himmel Regen fiel. Daher witterte ich den Typ, noch bevor ich ihn sah. Aber ich wusste sofort, wo er steckte. Windwärts, ganz entspannt. Der Geruch von Waffenöl und Munition war nicht stärker als vorhin. Er hockte schräg gegenüber auf einer halbhohen Ziegelmauer, über ihm ein Balkon, das alte Gebäude in seinem Rücken. Ein Bein hatte er hochgezogen, das andere baumelte locker herab. Die linke Seite seines
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