Skinwalker 01. Feindesland
sind die anderen … ähm … Vamps und … «
Brandon erbarmte sich. Er trat zu dem Wandgemälde und zeigte mit dem Finger auf die Leute darauf. »Arceneau, unser Blutmeister. Grégoire « , er wies auf einen blonden jungen Mann, der aussah, als wäre er mit fünfzehn gewandelt worden, und der neben den geschmeidigen und muskulösen Zwillingen wie ein Kind wirkte, »derzeit auf Reisen in Europa. Ming von Mearkanis « , sein Finger glitt weiter, »die nun wahrscheinlich tot ist, und ihre Blutdiener Benjamin und Riccard. Rousseau und seine Günstlinge Elena und Isabel. Desmarais mit Joseph, Alene und Louis. Laurent mit Elisabeth und Freeman .« Er hatte einen getragenen, altertümlich deklamierenden Ton angeschlagen. Vielleicht weckte das Gemälde alte Erinnerungen.
Brian übernahm die weitere Vorstellung. »St. Martin und sein damaliger Blutdiener Renée. Und Bouvier und sein Günstling, Ka Nvsita .« Ich erschrak. Das Mädchen auf dem Bild hatte langes Haar, das zu kleinen Zöpfen geflochten war, kupferfarbene Haut, und in ihren bernsteinfarbenen Augen, ganz ähnlich wie meine, lag ein verlorener, einsamer Ausdruck. Ihr Name war Cherokee und bedeutete Hartriegelbaum.
Wut überkam mich, heiß wie brennendes Kernholz. »Lebt sie noch ?« , fragte ich und schluckte die Wut herunter. Sie brannte in meinem Magen wie Säure. Ich zwang mich, die geballten Fäuste zu öffnen.
»Nein « , sagte Brandon. »Sie starb, als sie in den Zwanzigern war. Sie war ein liebes Mädchen. Ihr Vater verkaufte sie an Adan Bouvier, als sie elf war, damals im Jahre … Wann war das noch ?« , fragte er seinen Bruder.
»Vielleicht 1803 oder 1804? Sie war voll entwickelt, als wir in Arceneaus Dienst traten « , sagte Brian.
Ihr Vater hatte sie verkauft. Wie Vieh. Nicht die Vampire hatten meine Stammesangehörige zur Sklavin gemacht, sondern ihr eigener Vater. Da fiel mir wieder ein, dass auch mein Volk einmal die seinigen wie Vieh verkauft hatte. Ich nickte und ging weiter den Flur hinunter, bevor ich in Versuchung geriet, einem der Zwillinge den Hals umzudrehen. »Danke für den Tee und die Auskünfte « , sagte ich, als ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Wir standen auf der Veranda. »Ich rufe vielleicht an, falls ich noch Fragen habe .«
»Und wir antworten vielleicht « , sagte Brian.
»Oder auch nicht « , sagte Brandon.
Ich zwang mich zu einem Lächeln, schlüpfte in meine Jacke, setzte den Helm auf, startete mein Bike und fuhr davon.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Höflichkeitsbesuchen bei den Blutdienern, die für die Sicherheit der anderen Blutfamilien im Garden District sorgten. Als die Sonne untergegangen war, fuhr ich langsam heimwärts ins French Quarter. In dieser Stadt, die immer Party machte, ließ man es sonntags ruhig angehen. Touristen und Einheimische gingen in die Kirche, zur Messe oder zum Brunch und danach ins Museum, oder spazierten am Fluss entlang, kauften ein oder aßen in einem ruhigen Restaurant zu Abend. Die Buchläden, Cafés und kleinen Läden des Viertels machten sonntags das große Geschäft. Dann kam die Zeit für ein Schläfchen – ganz offiziell, wie in Europa.
Nachts strömten sie dann wieder auf die Straßen, und alles begann von Neuem: Die Reichen saßen in den eleganten Restaurants und die Sparsamen in den Cafés. An jeder Ecke spielte Musik. Zauberer und Gaukler bevölkerten die Straßen, und überall erklang Jazz und Blues und jede andere Spielart amerikanischer, afrikanischer, karibischer und europäischer Musik. Die Menschen hatten Spaß, trotz des Rogue, der sein Unwesen trieb, trotz der Übertragungswagen, die durch das Viertel kreuzten, und obwohl man besser ein Taxi nahm, statt zu Fuß durch die laue Abendluft zu spazieren.
Nicht lange, und ich würde mich dazugesellen, doch zunächst war ich auf eine Party voller Vamps eingeladen. Worauf ich nicht gerade wild war.
13
Sie dürfen bei mir vorsprechen
Prüfend betrachtete ich mich im Spiegel, einerseits angewidert von der Aussicht, kostbare Zeit auf einer Vampparty zu vergeuden, statt den Rogue zu jagen, andererseits starr vor Angst – und das weniger davor, von Vampiren umringt zu sein. Mein einziges kleines Schwarzes reichte bis zur Mitte der Oberschenkel und war aus Mikrofaser, die man ins Gepäck stopfen konnte, ohne dass sie knitterte. Das Kleid hatte schmale Träger, einen eingenähten BH und V-Ausschnitt, tief genug, dass ein Mann zweimal hinsah. Es war in der Taille asymmetrisch geschnitten, der Rock
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