Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
Rehs, das Beast erlegt und verschlungen hatte, hatte ich immer noch einen Bärenhunger, denn die Kalorien in dem Protein und dem Fett auch eines so großen Tieres stellten nur einen Teil der Energien zur Verfügung, die bei einem Wandel verbraucht wurden. Deshalb war ich nachher immer hungrig. Der Geruch von Frühstück ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Während ich auf Aggies Haus zuging, band ich mein langes Haar zu einem festen Knoten zusammen. Ich hoffte, dass sie und ihre Mutter noch schliefen oder zumindest gerade in eine andere Richtung schauten, wenn ich unter den Bäumen hervortrat, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Anwesenheit in dem Wald, der an ihr Grundstück grenzte, erklären sollte. Doch ich hatte kein Glück. Sie saßen auf der Veranda im diffusen Licht der nahenden Dämmerung, die ältere der beiden mit einem Becher in der Hand. Ich spürte ihre Neugier und ihre Mutmaßungen wie eine Last auf mir, als ich die Rasenfläche betrat. Aggie erhob sich und öffnete die Gittertür. »Bist du gekommen, um dich durch das Wasser geleiten zu lassen?«
»Äh … ja.« Ja zu sagen, schien mir das Sicherste zu sein, auch wenn ich nicht mehr wusste, was es bedeutete. Als sie meine Stimme hörten, sprangen die Hunde auf und stürzten bellend von der Veranda auf mich zu. Beast hustete amüsiert, bevor sie sich in meinem Geist schlafen legte.
»Hast du gefastet?«, fragte Aggie.
»Ja, und ich bin ausgehungert.« Ich hoffte, sie würde mich zum Frühstück einladen. Leider vergeblich.
»Geh und warte auf der vorderen Veranda. Du musst beten und dich zentrieren. Ich suche meine Sachen zusammen. Unser Frühstück kann warten.«
Ich seufzte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es noch ein Weilchen dauern würde, bis ich etwas zu essen bekam. Mich zentrieren sollte ich, hatte sie gesagt. Bei dem Gedanken stellten sich mir die Nackenhaare auf, doch ich wusste nicht warum. Ich war zentriert. Ich war immer zentriert. Was immer das bedeutete.
Auf der Vorderseite des Hauses angekommen, ließ ich mich auf die Veranda plumpsen und wartete, während am Himmel das tiefdunkle Blau der Nacht dem düsteren Anthrazitgrau der frühen Dämmerung wich. Ich war hungrig und müde und schläfrig. Und genervt, doch das würde ich Aggie nicht merken lassen.
Eher als ich erwartet hatte, öffnete Aggie die Haustür und trat heraus. Drinnen hatten keine Lampen gebrannt, sodass sie auch hier draußen gut sehen konnte. Sie legte einen kleinen schwarzen Stoffbeutel auf die Stufe und setzte sich neben mich, nachdem sie sich gestreckt und gegähnt hatte. Ihre Miene war ernst, doch als ihr Blick dem meinem begegnete, erschien ein Funkeln in ihren Augen, als könnte sie den Trotz sich unter meiner Haut winden sehen. Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht etwas Freches zu sagen, und sie lachte leise. Um nicht meine Finger zu Krallen zu biegen, verschränkte ich sie vor meinen Knien, so fest, dass die Knöchel weiß wurden.
Aus Aggies Belustigung wurde Mitleid, was mich aus irgendeinem Grund noch wütender machte. Und wieder wusste ich nicht, warum. Sie tätschelte meine gefalteten Hände, als wollte sie sagen: »Nimm deine Medizin, Kleine. Sie schmeckt gar nicht so schlimm« – eine glatte Lüge. Dann begann sie, mir Ablauf und Zweck des Rituals des »durch das Wasser Geleitens« zu erklären und mich in meinen Part einzuweisen, falls ich mich tatsächlich dazu entschließen sollte.
Mein Ärger wuchs immer weiter, bis ich unruhig mit den Backzähnen mahlte. Und ich hatte keine Ahnung, warum ich so verärgert war. Wütend. Was auch immer. Als sie eine Pause machte, sagte ich: »Also, um es einfach auszudrücken, wir kotzen, sprechen zu Gott und gehen dann schwimmen. In einem Bayou, in dem sich alles Mögliche tummelt. Schlangen. Zehn Kilo schwere Ratten. Und Alligatoren.«
Als Aggie lachte, klang es, als würde Wasser über Steine gluckern, und ihr Gesicht legte sich in Falten, die sonst nicht zu sehen waren. »Ungefähr so, ja. Es gibt auch rituelle Gebete, aber die kann ich dir vorsagen.«
Ich betete auch, aber in der Kirche. Doch irgendwie empfand ich es als ganz natürlich, es auch hier zu tun.
»Normalerweise müssen Frauen sich nicht reinigen«, fuhr Aggie fort, »doch du bist eine Kriegerin, daher sind sich meine Mutter und ich einig, dass du durch das Wasser musst, zumindest dieses erste Mal. Danach bist du innerlich und äußerlich rein und dein Geist offen und wiederhergestellt. Dann wirst du bereit sein
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