Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
Weile in Cherokee miteinander; dann sagte Aggie zu mir: »Durch das Wasser zu gehen, ist kein schweres oder feststehendes Ritual. Man muss keinen bestimmten Gott oder Geist anrufen. Vielmehr geht es darum, zu unseren Wurzeln zurückzufinden, unserer Herkunft, und die Vergangenheit anzurufen, dass sie uns in die Zukunft führe und leite. Es ist so persönlich wie ein Gebet, wie die Götter oder Geister, an die man glaubt. Du kannst es deinen Bedürfnissen anpassen, auf dem Weg, den dein Gott dir zeigt.«
Sie bremste, stellte den Motor ab, stieg aus und half auch ihrer Mutter aus dem Wagen. Schwaden von weißem Muschelstaub und Straßenstaub zogen hinter uns her. Die beiden Frauen verschwanden zwischen den Bäumen und ließen mich mit dem Geräusch des erkaltenden Motors zurück. Wir befanden uns auf einer kleinen Lichtung, ungefähr halb so groß wie meine Küche, umgeben von Reihen von Kiefern, die so dicht nebeneinanderwuchsen, dass sich wohl nur wenige Waldtiere hindurchwagen würden.
Wortlos öffnete ich die Tür, die an einem Strauch hängen blieb und sich nur mit Mühe wieder schließen ließ. Dann folgte ich den Frauen mit klatschenden Flip-Flops auf dem ebenen Weg, der sich durch die Bäume schlängelte bis zu einem Bayou, wo der Boden so matschig wurde, dass die dünnen Schuhsohlen mit jedem Schritt an meinen Füßen schmatzten. Das Wasser in dem sumpfigen Kanal war noch von dem Sturm braun und trüb und schwappte über den Uferrand bis hinauf in die Bäume. Es war so ganz anders als die klaren Ströme in den Appalachen, und auf einmal wirbelte Heimweh durch mich hindurch wie eine Windhose.
Mit ihrer Mutter plaudernd, hängte Aggie den schwarzen Stoffbeutel über einen Aststumpf und schraubte die Thermoskanne auf. Dann goss sie die Flüssigkeit in den Plastikbecher im Deckel; sie war heiß und schwarz und roch wie gekochte Baumäste und Flechte und Fichtenspargel. Ich rümpfte die Nase. Aggie reichte den Becher an ihre Mutter weiter, die den Inhalt in sich hineinschüttete und etwas sagte, das nicht sehr freundlich klang, bevor sie zwischen den Bäumen verschwand. »Mutter mag das Reinigungsritual der Männer nicht. Das der Frauen ist ihr lieber, aber es muss nun einmal sein.«
Ich hörte Würgen aus dem Wald, und aus Mitgefühl erfasste es auch mich. Ich schlang die Arme um die Taille. Nein, ich wollte nicht hier sein.
Aggie goss erneut ein und leerte den Becher mit einem Zug, dann füllte sie ihn noch einmal für mich. »Es gibt gute Gründe, warum wir durch das Wasser gehen.« Ihr Ton war sanft, beruhigte mich aber nicht. »Wenn wir vor einem Krieg oder vor schwierigen Herausforderungen stehen, wenn wir eine wichtige Entscheidung treffen müssen, müssen wir innerlich und äußerlich rein sein, damit Gott oder die Götter zu uns sprechen. Dann geh in den Wald und tu, was du tun musst.« Der letzte Satz war ein Befehl. Aggie hielt mir einen kleinen Beutel hin und tippte dagegen. »Tabak aus der Heimat. Wende ihn an, wie ich es dir gesagt habe. Daran kommt man heutzutage nicht mehr so leicht. Verschwende ihn nicht.« Sie eilte in den Wald und ließ mich allein.
… Krieg oder schwierige Herausforderungen oder wichtige Entscheidungen . Ja, das brachte mein momentanes Leben ziemlich gut auf den Punkt. Ich betrachtete die Flüssigkeit, die in der Dunkelheit schwarz wirkte.
Beast schnaubte. Jane braucht es. Beast, die ich/wir ist, braucht es .
Das ist ja genau der Grund, warum ich es nicht tun will , antwortete ich ihr in Gedanken. Ich klang stur. Weinerlich. Fast so wie früher die Mädchen im Kinderheim, wenn die Hausmutter von uns verlangte, das Badezimmer zu putzen oder die Wäsche zu machen. Ich seufzte. Deswegen war ich so zappelig. Es war lange her, dass ich etwas gegen meinen Willen hatte tun müssen, weil es gut für mich war.
Ich schniefte wieder und zog eine Grimasse, als mir der erdige Gestank der Kräutermixtur in die Nase stieg, und schüttete sie hinunter. Ich würgte, um sie herunterzubekommen. Das Höllenelixier schmeckte kein bisschen besser als es roch, und wollte schneller wieder hoch, als es unten war. Doch ich schluckte und rannte tiefer in den Wald hinein. Plötzlich wurde mir sterbensübel, und ich schmeckte Galle. Ich fiel gegen einen Baum. Mich zu übergeben war mir ein Gräuel. Was für eine verrückte Art, mit einer spirituellen Erfahrung zu beginnen. Die einzigen Rituale, die ich aus dem Kinderheim kannte, waren die täglichen Bibelstunden, ein Pflichttheologiekurs während
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