Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
ihr die Reise wert zu sein. Zudem konnte sie kaum erwarten, erstmalig eine Stadt zu betreten, deren einzelne Viertel wohl bereits die Größe von Runa erreichten.
Karol lockte die Aussicht auf ein Ende der täglichen Strapazen und auch Irian und Janus schritten wohl gelaunt voran, ihrem hoch gelegenen Ziel entgegen. Selbst Agata wirkte friedfertiger als sonst und sparte mit maulenden Kommentaren.
Nach einigen Tagen endete der Wald und machte einer hügeligen Wiesenlandschaft Platz, deren Gras im Laufe des Sommers zu braunen, verdorrten Halmen vertrocknet war, die knisterten, wenn man über sie hinweg schritt. Weit hinten am bleichen Horizont zeichneten sich vage die Umrisse des Ruaskan-Gebirges ab, das sich kaum von den aufgetürmten Haufenwolken am Firmament zu unterscheiden schien. Es überstieg Skirias Vorstellungsvermögen, dass diese steinernen Riesen bezwingbar sein sollten.
Nach wie vor galten Skirias Gedanken Ramin, der vermutlich unglückselig und allein durch die Wälder irrte, doch von Tag zu Tag schien die Erinnerung an ihn mehr zu verblassen, bis die Begegnung mit dem freundlichen Drachen nur noch wie ein sonderbarer Traum wirkte.
Auch wenn sie gerne mit ihm gezogen wäre, glaubte das Mädchen nun zu erkennen, dass ihr das Schicksal einen anderen Platz zugewiesen hatte. Skiria gehörte zu den Menschen, brauchte deren Gesellschaft und Ansprache. Ein letztes Mal drehte sie sich zu dem zurückliegenden Wald um und sagte leise: „Leb wohl, Ramin!“, bevor sich ihr Blick wieder geradeaus richtete, ihrem neuen Bestimmungsort, ihrer Zukunft entgegen. Am Fuße der Berge schlugen sie ihr Nachtlager auf.
Am nächsten Tag begann der Aufstieg. Ein kleiner Pfad schlängelte sich steil zwischen den Felswänden hindurch. Es erstaunte Skiria, um wie viel langsamer man voran kam als in der Ebene. Die Entfernung zum Gipfel schien nur äußerst langsam zu schmelzen.
Doch die samtroten Blümchen, die zwischen Felsspalten hervor lugten, entzückten sie ebenso wie kleine Eidechsen, die so geschwind über den grauen Kalkstein flitzten, als wollten sie dem menschlichen Auge entkommen. Rabanus hatte sich die Route bereits in Tralor von erfahrenen Berggängern ausführlich beschreiben lassen, sodass er zielstrebig den Hang erklomm, obwohl der schmale Pfad sich nach nur kurzer Zeit im Nichts verlor und stattdessen einem unwirtlichen Geröllfeld wich. Verkrüppelt wirkende Koniferen duckten sich zwischen den steinernen Brocken und schienen als Wegmarken zu dienen.
Skiria befürchtete, dass Karol nicht bis Umiena durchhalten würde. Von der Anstrengung dunkel gerötet, schien sein Gesicht zu glühen. Schweißperlen schimmerten auf seiner erhitzten Stirn.
Trittsicher dagegen stieg Irian vor Skiria her, blickte immer wieder zurück, um sicherzustellen, dass sie nicht zurückfiel und reichte ihr seine Hand, wenn es galt, besonders steile Felsen zu überwinden. Skiria rührte seine Besorgnis, die er ihr gegenüber zeigte.
Erst gegen Abend erreichte die Gruppe den Gipfel. Unter ihnen erstreckte sich der Wald nun wie ein grünes Meer, das zur anderen Seite hin von steinernen Wellen aus Berggipfeln durchzogen wurde. In seiner Mitte ragte ein besonders mächtiger Riese, der sich auftürmte, als handele es sich bei den umliegenden Bergen um kleine Kinder, die ehrfurchtsvoll zu ihrem großen Vater aufsahen. Dahinter musste Umiena liegen.
Sehr früh am Morgen kitzelten die ersten Sonnenstrahlen Skiria aus dem Schlaf. Blinzelnd richtete sie sich auf und blickte überrascht auf die von der Morgensonne effektvoll beleuchteten Felsformationen, die erstrahlten, als spiegele sich in ihnen der Widerschein eines Feuers.
Während die Männer noch schliefen, erhob sich Skiria und entfernte sich ein wenig von ihnen, um auf einem unterhalb des Gipfels gelegenen Vorsprung Platz zu nehmen. Es herrschte so vollkommene Stille, als solle der überwältigende Anblick, der sich dem Auge bot, nicht durch andere Sinneseindrücke gestört werden. Dennoch spürte sie bald die Kälte des Steins durch den Stoff ihres Gewandes kriechen. Schon schien sie versucht, ihren Aussichtsplatz wieder zu verlassen, als unvermittelt ein Mann hinter den Felsen hervor trat.
Vom Sonnenschein geblendet, erkannte Skiria zunächst nur seine Silhouette, die sich erst nach und nach zu einem vollständigen Bild ausfüllte. Erleichtert nahm sie wahr, dass es sich lediglich um Irian handelte, dessen Nachtruhe ebenfalls frühzeitig beendet schien. Ohne einen
Weitere Kostenlose Bücher