Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
in ihrem steinernen Versteck herum und warf in kurzen Abständen Blicke nach draußen.
„Ich konnte ihn nicht ausstehen“, grollte sie leise, fügte aber sogleich mit heiserer Stimme hinzu: „Aber das hatte er nicht verdient.“
Inständig hoffte sie, dass der Bergtroll die Suche nach ihnen aufgegeben hatte. Im Dorf erzählte man, dass sich solche Kreaturen nicht nur durch ihre Bösartigkeit, sondern auch durch ihre Ungeduld auszeichneten. Sobald ihre Opfer aus dem Blickfeld entschwanden, verloren viele der Riesen das Interesse an ihnen, hieß es. Zu jagen war für sie schließlich nicht lebensnotwendig. Sie wollten damit lediglich ihre Macht beweisen. Doch damit war Agatas Wissen über die mächtigen Geschöpfe bereits erschöpft. Ob das Biest, als sich schließlich nichts mehr bewegte, kein Stein mehr rollte und kein Mensch mehr schrie, tatsächlich verschwunden war, konnte sie nur vermuten.
Vielleicht handelte es sich aber auch um ein besonders hartnäckiges Exemplar, das sich in den Sinn gesetzt hatte, ihnen seine Übermacht zu demonstrieren. Es schien fast so, als unvermittelt ein Stampfen den Berg erschütterte und feiner Staub von der Höhlendecke rieselte. Irian sprang auf, bereit, sich zu verteidigen.
Bislang hatte man von ihrem Versteck aus den gegenüberliegenden Hang gesehen, doch plötzlich verschwanden die Felsen hinter einem gigantischen Bein, dessen spröde Haut wirkte, als risse sie jede kleinste Bewegung in Fetzen. Doch sie hielt der Belastung überraschend stand, als sich der Troll bückte, um den Höhleneingang näher zu inspizieren. Skiria schrie auf, denn Irian drängte sich an Rabanus und Agata vorbei und griff gleichzeitig gewandt nach seinem Bogen.
Um mehr sehen zu können, ließ der Riese seine Augen dicht vor dem Versteck der Menschengruppe hin und her wandern. Irian nestelte einen Pfeil aus dem Köcher, nahm Maß und spannte die Sehne. Stumpfen Blickes zog das riesige, glanzlose Auge des Riesen vorbei. Irian zögerte nicht lange und schoss, bevor der Gegner sein scheußliches Antlitz wieder zurückzog. Der Pfeil schnellte auf das ausladende Kinn zu und blieb dort stecken. Brüllend vor Schmerzen griff sich der Riese ins Gesicht.
„Komm zurück!“, rief Skiria, die befürchtete, das Monstrum nähme augenblicklich Rache an dem Winzling, der sich erlaubte, es anzugreifen. Erzürnt riss der Bergtroll den Pfeil aus seiner Haut und wirkte, als suche er nun nach einem Ventil für seinen unbändigen Zorn. Mit der flachen Hand schlug er kräftig gegen die Felsen, sodass die Wände im Inneren der Höhle erzitterten. Skiria schloss die Augen. Wie lange würde ihr Versteck dieser groben Behandlung noch standhalten?
Skirias Kameraden versuchten angestrengt, sich trotz der Erschütterungen auf den Beinen zu halten. Agata sank schließlich freiwillig auf alle Viere und kroch auf Skiria zu, um im hintersten Winkel neben ihr Schutz zu suchen. Rabanus und Janus stolperten wankend hinterdrein.
Einzig Irian hielt sich noch dicht vor dem Ausgang und versuchte, erneut auf den Giganten zu zielen. Plötzlich hielt der Riese inne. Einen Moment lang verharrte er regungslos vor seiner schwer zu erreichenden Beute. Die Gelegenheit nutzend, jagte Irian ein weiteres Geschoss durch die Luft, das sich jedoch lediglich ein wenig in die dicken Schenkel des Biestes bohrte. Der Troll spürte nicht einmal ein Kitzeln und stach mit Schwung einen beindicken Finger in das Felsenloch. Mit der Kuppe traf er Irians Magengegend, sodass diesem die Luft wegblieb, während ihn die Wucht des Stoßes zu Boden schleuderte. Geschwind schnappte die überdimensionierte Hand nach Irians Bein, zog ihn daran aus der Höhle hervor und hielt ihn vor sein Gesicht. Selbstzufrieden betrachtete er das zappelnde Menschlein.
Irians Kameraden stürzten zum Höhlenausgang und sahen ihren Freund brüllend zwischen den Fingern des Trolls baumeln, der nun samt seiner Beute den Abhang hinab schritt. Als bereite ihm dies besonderen Spaß, schüttelte er dabei seine Hand ein wenig, sodass Irian das Blut ins Gesicht schoss. Die Schnur, die sein schulterlanges Haar im Nacken zusammenhielt, löste sich und segelte durch die Luft hinab.
„Halt aus!“, brüllte Janus zu ihm hoch und verließ flugs die Höhle, um über den Abhang hinunter zu stolpern, bis zu den Füßen des Trolls.
Dort hieb er kräftig mit seinem Kurzschwert auf die Zehen des Untiers ein. Ungehalten hob es seine mächtige Sohle vom Boden ab, als dort etwas ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher