Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
beherrscht, schien dabei aber niemanden direkt anzublicken.
Die Anwesenden sahen sich beklommen an.
Jeder hoffte, ein anderer möge antworten.
Schließlich begann Scaläa zu erklären: „Gütiger Hazaar, auf mir lastet ein schlimmer Fluch, der beim Menschen Hustenanfälle auslöst. Anscheinend zeigen sich die Auswirkungen bei Drachen aber weitaus stärker.“
Ramin, der die aufregenden Ereignisse der letzten Minuten erstaunt verfolgt hatte, erinnerte sich plötzlich an seine Rolle als leidender Patient und fasste die Erklärungen der Frau als Aufforderung auf, erneut eine Hustenattacke vorzutäuschen. Scaläa deutete wie zur Bestätigung auf das leidende Tier, während Gwendol unumwunden heraus platzte: „Großer Hazaar, wir brauchen sofort eure Hilfe!“
Dafür kassierte er den ungehaltenen Blick Ramins. Mit diesem vorschnellen Einwurf konnte er ihren Plan verderben. Tatsächlich kehrte ihnen der Zauberer mit raschelnden Gewändern jäh den Rücken zu, als beabsichtige er, verärgert über die Dreistigkeit des Jungen, augenblicklich wieder zu verschwinden. Gebückt schlurfte der Magier über die Schwelle, während Ramin fieberhaft überlegte, wie sie ihn aufhalten könnten. Im Hinausgehen murmelte Hazaar jedoch leise: „Folge mir, Drache!“
Gwendol gönnte sich einen triumphierenden Blick in die Runde, als wäre es nur ihm zu verdanken, dass sich der große Meister scheinbar doch zu einer Audienz bereit zeigte. Doch dann fiel ihm plötzlich ein, dass die Einladung nur Ramin gegolten hatte. Schnell rief er dem entschwindenden Magier nach: „Ich darf doch mitkommen, nicht wahr?“
Ramin hatte sich erhoben und quetschte sich durch den Ausgang. Leicht panisch bemerkte er, dass Hazaar bereits das Vorzimmer durchschritten hatte und auf den Flur hinausgetreten war, sodass er ihn nicht mehr sehen konnte. Gwendol, der keine Antwort auf sein Gesuch erhalten hatte, beschloss, einfach an der Seite Ramins zu bleiben. Gemeinsam durchquerten sie den Empfangsraum.
„Wartet!“, rief Ramin dem Zauberer hinterher. „So wartet doch!“
Gwendol lief auf den Flur hinaus, um nach ihm zu suchen, traf den Magier dort jedoch nicht mehr an. Schwer atmend kehrte er zurück. Sie würden Gugar nach dem Verbleib des Magiers fragen müssen. Auf eine Standpauke gefasst, öffnete Gwendol seinen Mund, klappte ihn jedoch gleich wieder zu, als er sah, dass irgendetwas mit dem Mobiliar nicht in Ordnung schien. Der Schreibtisch des Sekretärs wankte, der Stuhl dahinter wackelte verdächtig und ein klobiger Wandschrank aus solidem Eichenholz neigte sich gefährlich nach rechts.
Dann verschwamm alles zu einer undeutlichen Masse, in der Gwendol und Ramin zunächst noch die Umrisse der Gegenstände wahrnahmen, schließlich aber nur mehr bunte Flächen erkannten, die ineinander verliefen, als wische man mit einem nassen Pinsel über ein Bild aus Wasserfarben.
Als die Formen wieder Gestalt annahmen, blickten die Besucher staunend umher. Die Gegenstände hatten sich verändert. Der Schreibtisch schien um einige Ellen breiter zu sein, der Stuhl glich nun mehr einem mit kostbaren Edelsteinen besetzten Thron und der Schrank hatte sich zu einer Art Regalwand gewandelt, in der allerhand merkwürdige Utensilien ihren Platz fanden. Gwendol begriff, dass sie sich nicht mehr in der Kammer des Sekretärs befanden, denn auch der Raum selbst hatte sich verändert.
Seine Größe bemaß sich jetzt auf das Doppelte des Vorzimmers. Einen Teil des Zimmers trennte ein schwerer, schwarzer Vorhang ab, als verwahrte man dahinter etwas Mysteriöses, das dort verborgen bleiben sollte.
Gwendol konnte Hazaar nirgends entdecken, obwohl er ahnte, dass sie sich in dessen Arbeitszimmer befanden. Rasch sah er sich um und erkannte, dass sich Ramin vor den Regalen postiert hatte, um die dort befindlichen Dinge zu bestaunen.
Niemand achtete auf den Jungen, als er den geheimnisvollen Store beiseite schob und kurz hinter ihm verschwand. In seiner Überraschung hätte der Knabe am liebsten laut geschrien, doch er riss sich zusammen.
Vor ihm, auf einem niedrigen, prunkvoll verzierten Tischchen, lag ein aufgeschlagenes Buch. Dass es sich nicht um ein gewöhnliches Stück handelte, merkte Gwendol sofort an dem bläulichen Schimmer, der es umgab. Der Junge hatte von solchen Werken gehört. Magische Bücher, die alles über die Kunst der Zauberei beinhalteten.
Zum ersten Mal in seinem Leben befand sich eine solche Kostbarkeit in greifbarer Nähe, sodass er für einen
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