Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
seiner Erschöpfung grinste er, denn es war ihm gelungen, die Wachen zu überlisten. Üblicherweise durften Kinder die Stadt nur in Begleitung Erwachsener verlassen. Doch die Gabe einer Kupfermünze veranlasste jeden noch so gesetzestreuen Wachmann, großzügig ein Auge zuzudrücken. Ohne weitere Fragen zu stellen, hatten die Wächter ihn mit gleichmütiger Miene ziehen lassen, während die Bestechung in ihren Rocktaschen verschwunden war. An das erforderliche Geld zu gelangen, war einfach gewesen: Eine kleine Zauberei hatte die Schankkellnerin auf dem Weg in die Küche stolpern lassen, sodass ihre gesamten Einnahmen in alle Richtungen davon kullerten. Dass er zuvor den Boden mit etwas Seifenwasser präpariert hatte, verdrängte Gwendol aus seinen Gedanken, denn sein Zauber hätte gewiss auch ohne diese unterstützende Maßnahme funktioniert. Fluchend sammelte die Frau die Münzen wieder ein, doch eine davon war unbemerkt unter einen Schrank gerollt. Als sich die Magd wieder entfernt hatte, fischte Gwendol rasch das Geldstück hervor und versteckte es in seinem Schuh.
Stolz überkam ihm, denn auch wenn ihm Hazaar eine Ausbildung auf seinem Schloss aus Gründen, die ihm schleierhaft erschienen, nicht gewährte, so befand er sich doch auf dem besten Weg, seinem Leben trotzdem wahre Größe zu verleihen. Nach wie vor war Gwendol davon überzeugt, dass ihm eine schier meisterliche Laufbahn als Zauberer bevorstand.
Wenn ihn Hazaar nicht aufnahm, so fände sich gewiss ein anderer Meister, der ihn in der Kunst der Magie unterwies. Er vertraute darauf, dass die Götter ihn zu einem Ort leiteten, an dem er die Feinheiten der Zauberei erlernen und betreiben konnte. Nirgendwo sonst könnte er glücklich werden. Später einmal, wenn alle Welt von ihm spräche, würde Hazaar seine Entscheidung bereuen. Nicht ohne Schadenfreude malte sich Gwendol aus, welch eine Miene der Magier aufsetzen würde, wenn er erfuhr, dass die Dinge sich nicht nach seinem Willen entwickelten und sein Schützling ausgebüchst war. Ungläubig würde er den Kopf schütteln, sodass seine albernen Zöpfe wild um sein Haupt flogen.
Von dieser Vorstellung belustigt, stand Gwendol leise vor sich hin kichernd auf, um seinen Marsch fortzusetzen, von dem er noch nicht wusste, wohin er führen mochte. Doch bevor Gwendol auch nur einen Schritt vorwärts trat, legten sich von hinten kalte Finger auf seinen Mund und erstickten jäh das Lachen. Ein Arm umschlang von der anderen Seite seinen Körper und verhinderte damit jeden Fluchtversuch. Gwendol bäumte sich mit aller Kraft auf, erkannte jedoch bald, dass sein Widerstand keinen Sinn hatte.
Dann versuchte er, einen Blick auf den gemeinen Schurken zu werfen, konnte aber lediglich einen schwarzen Ärmel erspähen, aus dem eine Hand mit ungepflegten, gebogenen Fingernägel ragte. An einem goldenen Ring prangte ein roter Stein, an dessen Schliff sich glitzernd das Tageslicht brach.
Als der Angreifer Gwendols Lippen wieder frei gab, löste sich aus der Kehle des Jungen ein Schrei. Hinter einem mächtigen Baumstamm trat eine zweite Gestalt hervor, die nicht nur durch ihre riesig anmutende Statur furchteinflößend wirkte. Der Mann war um einen Kopf größer als sein Begleiter und trug einen Umhang, dessen Färbung an Gewitterwolken erinnerte, ganz im Gegensatz zu seinem Gesicht, das ungesund blass aus einer Kapuze leuchtete. Während sich der hagere Bursche Schritt für Schritt näherte, schob er langsam seine Kopfbedeckung zurück, um dünnes Haar zu entblößen, das in fettigen Strähnen auf die hageren Schultern hinab hing. Sein Kopf beugte sich dicht hinab zu Gwendol, bevor er den Mund öffnete, der nur vereinzelte, faulige Zähne beinhaltete.
„Hah!“, hauchte ihm der übel riechende Atem des Kerls entgegen. „Wen haben wir denn da?“
Gwendol Stimme zitterte, als er sich vorstellte: „Ich heiße Gwendol und bin ein Magier auf der Suche nach einem Lehrherrn.“
Als bewirkten diese Worte einen Entfesselungszauber, spürte der Knabe, wie die Umklammerung sich löste, bis er sich wieder frei bewegen konnte. Der Knabe vollführte eine halbe Drehung, um seinen zweiten Widersacher in Augenschein nehmen zu können. Wie sein Kumpan hatte er sich in einen grauen Umhang gehüllt, war jedoch wesentlich kleiner. Den spärlichen Haarwuchs auf seinem Kopf konnte man kaum erkennen. Dafür prangte ein sauber gestutzter Oberlippenbart unter seiner Nase, dessen Ausläufer bis zum Kinn hinab reichten. Gwendols magischer
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