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Sklaven der Flamme

Sklaven der Flamme

Titel: Sklaven der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Sir.«
    »Weshalb nicht?«
    »Sie haben keine Befugnis, Sir.«
    »Verdammt nochmal, lesen Sie mir das Ding vor.«
    »Hm – äh – da ist es, Sir. Die Nachricht kommt vom Polizeikommissar.«
    In kurzen Worten besagte die Botschaft, daß dreiundzwanzig Mann, darunter Hauptmann Clemen, von etwa zweieinhalbtausend hungrigen Bewohnern des Höllenkessels – hauptsächlich Einwanderer vom Festland – zu Tode getrampelt worden waren.
    Letzten Endes konnte man anderthalb Tonnen Fisch von der Straße holen und vernichten. Aber fünfeinhalb Tonnen hatten ihren Weg durch die Stadt angetreten. Der Nachrichten-Ingenieur fügte hinzu, daß nun auch die Sektoren 34A bis 42A nicht mehr funktionierten, aber vielleicht könne der Major es noch einmal mit 27B versuchen.
     
    Die zweite Arbeiterschicht kam in den Aquarien an. In dem großen Pontongebäude lagerten unzählige transparente Kunststoffbehälter zwischen den Tetronpumpen. Vibratornetze teilten die Behälter in sechs Meter lange Abschnitte. Schmale Verbindungsstege und Galerien durchliefen das sechsstöckige Bauwerk. Alles war in rötliches Licht getaucht. Blaues Licht störte die Fische, die ständig sichtbar sein mußten. Man bewegte sie, untersuchte sie nach Krankheitssymptomen oder Mißbildungen, trennte sie nach Alter, Größe und Art. Sie wurden bei ständig gleichbleibender Temperatur gefüttert und gemästet. Wenn sie die richtige Größe erreicht hatten, schlachtete man sie gleich im Aquarium.
    Und nun war also die zweite Arbeitsschicht an der Reihe.
    Nach etwa zwei Stunden meldete sich ein bulliger, schwitzender Mann in der Krankenstation. Er beklagte sich über Schwindel und Müdigkeit. Das kam hin und wieder vor, da die Temperatur in den Aquarien verhältnismäßig hoch war.
    Der Arzt riet ihm, sich eine Weile hinzulegen. Fünf Minuten später wand sich der Mann in Krämpfen. Vielleicht hätte man sich gründlicher um ihn gekümmert, wäre nicht ein paar Minuten später eine Frau von einem Verbindungssteg gestürzt. Sie zertrümmerte sechs Stockwerke weiter unten einen der Kunststofftanks.
    Im roten Licht umstanden die Arbeiter die Tote und den zerbrochenen Behälter. Dutzende von Fischen schlugen schwach mit den Flossen, als das Wasser auslief.
    Die Arbeitskolleginnen der Frau sagten aus, daß sie sich nicht wohl gefühlt habe und plötzlich von einem Krampf befallen worden sei, als sie den Steg überquerte. Als der Arzt wieder in die Krankenstation kam, hatte der Mann hohes Fieber. Die Krankenschwester berichtete, daß er sich übergeben habe. Dann starb der Patient.
    Während der nächsten zwei Stunden wurden von den fünftausendzweihundertachtzig Menschen, die in den Aquarien arbeiteten, dreihundertsiebenundachtzig von Krämpfen befallen. Sie starben alle – bis auf einen Körperkultur-Fanatiker, der jeden Mittag zwei große Gläser Milch trank; ihn konnte man mit der Fähre ins Lazarett von Toron bringen, wo er sechs Minuten nach Einlieferung den letzten Atemzug tat – genau eine Stunde und siebzehn Minuten nach dem ersten Anzeichen der Krämpfe. Das war der erste Fall, der überhaupt ins Krankenhaus gebracht wurde. Nach dem sechzehnten Fall einigte man sich darauf, daß es sich um eine Barbitid-Vergiftung handelte. Dann erinnerte sich jemand, daß am Morgen ein Mann vom Kriegsministerium angerufen und nach einem Mittel gegen diese Vergiftung gefragt hatte.
    »Irgendwie scheint das Gift in die Nahrungsmittel geraten zu sein«, meinte der Toxikologe Oona. »Möglicherweise ist es in der ganzen Stadt verteilt.« Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und entwarf eine Warnung an die Bürger von Toron. Sie enthielt eine Beschreibung der Vergiftungssymptome und des Gegenmittels, dazu die Aufforderung an alle Erkrankten, sich sofort im Lazarett einzufinden. »Schicken Sie das hier ans Kriegsministerium. Es muß über jede nur verfügbare Nachrichtenquelle ausgestrahlt werden – so rasch wie möglich«, befahl er seinem Sekretär.
    Als der Stellvertreter des Nachrichten-Ingenieurs (der Ingenieur selbst war um drei Uhr heimgegangen) die Botschaft erhielt, sah er nicht einmal nach, wer sie abgeschickt hatte, sondern knüllte sie verächtlich zusammen, warf sie in den Papierkorb und murmelte etwas von Befugnissen. Hätte der Hausmeister sich an diesem Abend die Zeit genommen, die Papierkörbe zu untersuchen, dann hätte er insgesamt sechsunddreißig Abschriften von Major Tomars Warnung entdeckt – hübsch im ganzen Ministerium verteilt.
    Nur ein Bruchteil

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