Sklaven der Flamme
findest du nicht?« sie steckte die Bilder in ihre Tasche.
»Willst du mir jetzt meine Frage beantworten?«
»Ich weiß nichts«, sagte Alter.
»Aber ich bitte dich! In Lets Zimmer sind eine Unmenge Kameras untergebracht, und es gibt Dutzende verborgener Schalter. Irgendwie versagte die Alarmanlage, die mit ihnen in Verbindung steht, aber die Kameras selbst funktionierten.«
Wieder schüttelte Alter den Kopf.
»Du mußt keine Angst haben«, sagte die Königin. »Wir wissen, daß du müde bist, und werden dich so rasch wie möglich zurück ins Krankenhaus bringen. So. Und was geschah nun mit meinem Sohn, dem Prinzen?«
Schweigen.
»Du bist ein hübsches Mädchen. Du bist auch Akrobatin, nicht wahr?«
Alter schluckte und hustete.
Die Königin schüttelte lächelnd den Kopf. »Wirklich, du kannst mir ohne Furcht antworten. Du bist Akrobatin, habe ich recht?«
Alter nickte.
Die Königin streckte die Hand aus und hob vorsichtig die dreifach geschlungene Lederschnur mit den Muscheln. »Ein wunderschöner Schmuck«, meinte sie und streifte die Kette über Alters Kopf. »Der Körper einer Akrobatin muß wie diese Muscheln sein – zart und doch kräftig. Du bist sicher sehr stolz darauf.« Wieder machte sie eine Pause und hielt den Kopf schräg. »Ich möchte dich nur beruhigen, Liebste.« Lächelnd spielte sie mit der Kette. »Einfach exquisit …«
Plötzlich klirrte der Schmuck zu Boden. Die Muscheln schlugen hart auf die Steinfliesen.
Alters Blicke folgten der Kette.
»Oh«, sagte die Königin. »Das tut mir aber schrecklich leid. Es wäre eine Schande, so etwas zu zerbrechen.« Mit einer Hand zog die Königin ihre Robe zurück, bis ihr Fuß sichtbar wurde. Sie senkte die Schuhspitze über die Kette. »Willst du mir nun sagen, wo mein Sohn ist?«
Sieben, acht Sekunden Schweigen. »Nun gut«, sagte die Königin und zerstampfte die Kette. Das Knirschen der zerbrochenen Muscheln wurde von Alters Aufschrei übertönt. Denn die Königin hatte gleichzeitig das Zepter geschwungen und mit voller Wucht auf Alters festgeschnallten Arm geschlagen. Dann senkte sie es von neuem. Der Saal war erfüllt von dem Schrei und dem dumpfen Dröhnen des Zepters, als es auf den Holzblock schlug. Die Königin zerschmetterte Alter das Ellbogengelenk.
Als wieder so etwas wie Stille eintrat, fragte die Königin: »Nun, wo ist mein Sohn?«
Alter verriet es lange nicht; als sie es tat, dachte niemand mehr, daß sie die Unwahrheit sagen würde. Ihre Aussage nützte also wenig, als man sie später nachprüfte. Alter wurde zurück ins Lazarett gebracht, in eine graue Decke gehüllt. Sie war bewußtlos.
»Noch eine Vergiftung?« fragte der Mann am Empfang.
Der Wachtposten nickte. Der Arzt, der ihr die Injektionen verabfolgt hatte, war noch nicht von der Seite seiner Patienten gewichen. Als er nun die Decke hochschlug, erkannte er das Mädchen sofort. Er atmete rasch ein und ganz langsam wieder aus. »Bringt die Kleine in den Operationssaal«, sagte er zur Krankenschwester. »Sofort.«
Im Höllenkessel hatte sich Tel eben erst von einer Darmverstimmung erholt. Nun, nach einem Tag unfreiwilligen Fastens, spürte er Hunger. Er kramte im Kühlschrank der Wirtschaft herum, bis er Überreste einer gebackenen Fischmahlzeit entdeckte. Er holte ein scharfes Messer von der Anrichte und schnitt sich eine tüchtige Portion ab. Im gleichen Moment ging die Tür auf. Die Kellnerin kam herein, ein verhutzeltes Weiblein von siebzig Jahren, das immer einen roten Schal um den faltigen Hals trug. Tel hatte eben noch ein Stück Zwiebel zerhackt und über den Fisch gestreut, als die Alte ihm den Teller aus der Hand schlug.
»Au«, sagte Tel und zuckte zusammen, obwohl ihm selbst nichts geschehen war.
»Bist du wahnsinnig geworden?« fragte die Frau. »Du möchtest wohl wie alle anderen weggetragen werden?«
Tel sah sie verwirrt an. Nun kam auch noch Rara in die Küche. »Du liebe Güte«, rief sie. »Wo sind denn all die anderen? Ich bin halb verhungert. Ich hatte gestern ein Tonikum zusammengebraut und wollte es heute verkaufen. Gegen Mittag setzte plötzlich ein richtiger Ansturm ein. Die Leute verlangten etwas gegen Krämpfe, und mein Tonikum war bestimmt nicht schlechter als die anderen Mittel, die feilgeboten wurden. Ich konnte nicht einmal zum Essen kommen. Ist denn eine Epidemie ausgebrochen? Hm, das sieht gut aus.« Sie wollte den Fisch an sich nehmen.
Die alte Kellnerin packte das ganze Stück und warf es in den Abfall. »Das Zeug ist
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