Sklaverei
Menschenhändler beziehen sie Mädchen und Jungen im Alter von zehn Jahren und darunter.
Die Mafiosi arbeiten insbesondere über Reisebüros in Norwegen und Pattaya. Da die Vereinigten Staaten und Kanada die Einwanderungsbehörden inzwischen über alleinreisende Männer informieren, die regelmäßig nach Thailand und Kambodscha fliegen, organisieren diese Reisebüros Flüge mit Zwischenstopp in Ländern wie Katar oder Kasachstan, um den Verdacht der Behörden nicht zu wecken.
Die Fallen der Globalisierung
In sämtlichen Ländern, die ich im Rahmen meiner Recherche besucht habe – angefangen bei Lateinamerika über Asien und Afrika bis nach Europa –, zeigt die internationale Migration ihr widersprüchliches Gesicht: Tausende Menschen verlassen auf der Suche nach einem besseren Leben ihre Heimat und ziehen in Länder mit einem großen Angebot an Arbeitsplätzen, nur um dort auf Diskriminierung und Rassismus zu stoßen und von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Freihandelsabkommen ganz im Geiste des Kapitalismus auf eine bewusste und ungenierte Ausbeutung der Arbeitnehmer zielen. Immer wieder traf ich auf Unternehmer, die in der Beschäftigung legaler und illegaler Einwanderer eine Möglichkeit sehen, niedrigere Löhne zu zahlen und die Rechte der Arbeitnehmer missachten zu können. Sie alle gehen davon aus, dass die Arbeitnehmer aus armen Ländern ohne diese Anstellung verhungern müssten. Ein Fabrikbesitzer im kalifornischen Silicon Valley meinte unverhohlen: »Bei der Einstellung von Fabrikarbeitern achte ich auf drei Dinge: Es müssen Frauen sein, sie müssen klein sein, und sie müssen aus dem Ausland kommen. Das ist die perfekte Arbeitskraft für mich. Diese kleinen Ausländerinnen sind mir auf ewig dankbar, dass ich ihnen Arbeit gebe, alles andere ist denen egal.« [20]
Um zu verstehen, nach welchen Kriterien die Behörden vorgehen, wenn sie einem Unternehmen befristete Arbeitsverträge für ausländische Arbeitnehmer bewilligen, habe ich leitende Mitarbeiter verschiedener Einwanderungsbehörden zu diesem Thema befragt. Im Süden der Vereinigten Staaten und in Kanada bin ich einer Vielzahl von Arbeitnehmern begegnet, die mit einer staatlichen Arbeitserlaubnis als Tagelöhner in der Landwirtschaft arbeiteten. Doch das extremste Beispiel für die institutionsübergreifenden Netzwerke der Ausbeutung und Korruption ist mir in Mexiko begegnet.
Ein Staatssekretär berichtete mir anhand eines konkreten Falls, wie die Einwanderungsbehörden verschiedenen mexikanischen Fertigungsbetrieben Blankogenehmigungen erteilen. Mein Informant bat mich, seinen Namen nicht zu nennen, da der Unternehmer, dessen Fall er mir beschrieb, dafür bekannt ist, mit Gewalt gegen Beamte und Journalisten vorzugehen, die Nachforschungen über ihn anstellen.
Ich war in meinem Büro, als ich einen Anruf des damaligen Präsidenten Vicente Fox erhielt. Er kündigte mir an, dass ich im Laufe des Nachmittags Besuch von einem wichtigen Fabrikanten erhalten würde. Der Mann hieß Kamel Nacif, war libanesischer Abstammung und benötigte eine befristete Aufenthaltserlaubnis für knapp zweihundert chinesische Arbeiter, die in seinen Betrieben im ganzen Land arbeiten sollten. Der Anruf des Präsidenten bedeutete natürlich, dass ich den Mann bevorzugt behandeln sollte. In den Augen des Präsidenten war Nacif ein Vorzeigeunternehmer, weil er neue Textilfabriken im Südosten, im Zentrum und im Norden Mexikos eingerichtet und neue Arbeitsplätze geschaffen hatte. Ich kannte den Namen: Wegen seiner vielen Textilfabriken hat Nacif auch den Spitznamen »der Jeanskönig«.
Ein paar Stunden später kam Nacif in Begleitung von drei Männern mit Aktentaschen. Großspurig kamen sie in mein Büro stolziert, um die Genehmigungen für die chinesischen Arbeiter abzuholen. Nacif legte mir eine lange Liste mit Namen auf den Tisch. Ich warf einen kurzen Blick auf die Liste und erklärte ihm freundlich, dass er für jeden Einzelnen ein Formular ausfüllen müsse. Damit reichte ich ihm einen der entsprechenden Bögen. Nacif traten vor Zorn die Augen aus dem Kopf, und er erklärte mir, er sei ein Freund von Präsident Fox: »Hat Fox denn nicht angerufen?«, fragte er mich in verächtlichem Tonfall. Ich antwortete ihm, dass ich in der Tat einen Anruf des Präsidenten erhalten hatte, dass wir aber um die Formalitäten nicht herumkämen. Ich könne ihm lediglich anbieten, dass wir die Angelegenheit in meinem Büro erledigten
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