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Sklaverei

Sklaverei

Titel: Sklaverei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Cacho
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fremdenfeindliche Politik angenommen und zum Teil umgesetzt, die, wenn sie in der Vergangenheit unter den heutigen Mitgliedsstaaten angewendet worden wäre, große Empörung und wirtschaftliche Stagnation ausgelöst hätte. [21]
    Bis heute haben wir die größten Erfolge im Schutz der Arbeitnehmerrechte in der industriellen Fertigung vor allem den Nichtregierungsorganisationen zu verdanken. Über Kampagnen und die Mobilisierung sozialer Netzwerke konnten diese prominente Markenhersteller wie Adidas, Tommy, Puma oder Disney dazu zwingen, ihre Fertigungsunternehmen in Schwellenländern schärfer auf die Einhaltung der Menschenrechte hin zu überwachen und die Ausbeutung und Versklavung der Arbeitnehmer zu verhindern. Doch die Unternehmen sind mobiler, und die Freihandelsabkommen bieten mehr Freiräume, als dass die Menschenrechtsorganisationen sie effektiv überwachen könnten.

Mafia und Armut
    Die meisten Hilfsorganisationen für Opfer der Sklaverei machen klar, dass man die Prostitution nicht für sich genommen diskutieren kann, sondern im Zusammenhang mit Politik, Armut, Ungleichheit, Rassismus und Ausbeutung erörtern muss. Anlässlich des Welttags für menschenwürdige Arbeit am 7 . Oktober 2009 wiesen Aktivisten in zwölf europäischen Nationen auf die niedrigen Löhne der Textilarbeiter hin, die Bekleidung für die großen Marken und Ketten des Westens herstellen. Ähnlich fordert die europäische Kampagne für saubere Kleidung [22] Discounterketten wie Carrefour, Tesco, Aldi oder Lidl auf, die Standards der Asia Floor Wage Campaign anzuerkennen.
    Die Asia Floor Wage Campaign ist eine Initiative von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften in Asien gegen die Lohnpolitik der Textilunternehmen, die seit Jahrzehnten den Konkurrenzkampf zwischen prekären und sozial ungerechten Arbeitsmärkten ausnutzen, um ihren Arbeitnehmern Hungerlöhne zu bezahlen. In Asien verdient eine Näherin durchschnittlich umgerechnet 2  US-Dollar pro Arbeitstag; der Arbeitstag hat offiziell acht Stunden, doch gegen diese gesetzliche Vorgabe wird systematisch verstoßen, und je nach Auftragslage müssen die Frauen bis zu 14  Stunden am Tag arbeiten. Die Lebenshaltungskosten in Bangladesch, Indien oder China liegen zwar weit unter dem europäischen und amerikanischen Niveau, doch nach Berechnungen von Gewerkschaften müsste eine Arbeiterin aus Bangladesch pro Tag umgerechnet 8  US-Dollar verdienen, um dieselbe Kaufkraft zu haben wie eine Kollegin in der Europäischen Union. So viel verlangen die in der Asia Floor Wage Campaign zusammengeschlossenen Organisationen gar nicht. Sie haben vielmehr mit Hilfe des Kaufkraftindex der Weltbank einen Mindestlohn ermittelt, den Arbeiterinnen verdienen müssen, um einen Warenkorb von grundlegenden Waren und Dienstleistungen erwerben zu können, und dieser liegt bei einer Kaufkraft von 475  US-Dollar pro Monat.
    Ein menschenwürdiger Arbeitslohn ist ein international anerkanntes Recht, doch die Textilarbeiterinnen erhalten diesen Lohn nur in den seltensten Fällen. Die Näherinnen – die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer in der Textilbranche sind Frauen –, die für die großen internationalen Bekleidungsketten arbeiten, leben in extremer Armut. Sie leben häufig in unhygienischen Zuständen ohne fließendes Wasser und verdienen nicht genug, um ihre Familien ausreichend mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. [23]
    Wie hoch ist ein menschenwürdiger Arbeitslohn für eine junge Thailänderin, die ihre Familie ernähren muss? Oder für eine junge Kolumbianerin, die meint, ohne Brustvergrößerung nicht in den Himmel zu kommen? Die Mafia bietet keinen exakt berechneten Mindestlohn. Sie bietet etwas, was die Regierungen nicht zu versprechen bereit sind: Wohlstand und Gleichheit sowie die Freiheit, diese zu erwerben – auch wenn die Frauen darüber ihre psychische und physische Gesundheit und sogar ihr Leben riskieren. Die Banden der Menschenhändler in den verschiedenen Ländern wissen, dass sie nicht nur Geschäfte, sondern auch Sozialpolitik machen, so unmenschlich, entwürdigend und brutal diese auch sein mag.
    Während meiner Nachforschungen über die Mafia ist mir eines klargeworden: Nur die Zivilgesellschaften und ihre Organisationen haben die Macht, eine kulturelle Wende zu bewirken, die von unten, von den Wurzeln her, kommt. Grundlage muss eine Ethik der Differenz sein, die die Bedürfnisse und Wünsche des anderen anerkennt – denn auch wenn diese sich von meinen

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