Sklaverei
Befreiung der Opfer erzielt. Zum Vergleich: Die türkischen Behörden identifizierten zwischen 2003 und 2008 lediglich 994 Personen als Opfer des Menschenhandels.
Nach Berichten von zwölf privaten Hilfsorganisationen wurden in zahllosen Fällen Mädchen aus rumänischen Waisenhäusern verschleppt und in der Türkei verkauft. Viele Frauen werden mit dem Versprechen in die Türkei gelockt, ein Unternehmen werde sie weiter nach Deutschland oder Großbritannien bringen; sie erhalten falsche Arbeitsverträge als Reinemachefrauen, Kindermädchen, Sekretärinnen, Modelle, Tänzerinnen oder Hausangestellte. Hunderte junge Frauen werden in Fähren über das Schwarze Meer nach Trabzon oder vom albanischen Hafen Vlorë ins italienische San Foca gebracht.
Mahmut versichert mir, die türkische Regierung habe tatsächlich verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem Menschenhandel Einhalt zu gebieten. Zum Beispiel habe die türkische Polizei in Zusammenarbeit mit den Behörden der Ukraine und Moldawiens Aufklärungsfilme hergestellt, um die Frauen in diesen Ländern vor den betrügerischen Machenschaften der Menschenhändler zu warnen. Andererseits, betont mein Informant, liegt das Problem darin, dass die türkische Regierung die Prostitution legalisiert hat und der Staat selbst die Bordelle betreibt. Der Polizeibeamte kennt die Zahlen nur zu gut und weiß, dass 79 Prozent der Opfer des internationalen Menschenhandels in die Prostitution verkauft werden. Leidenschaftlich gestikulierend erklärt er mir:
Die Klienten sind in der Hauptsache Türken, und die Menschenhändler sind Einheimische und Ausländer. Das Geschäft mit der Prostitution bringt viel, viel Geld ein, Madame. Tausende Touristen an der Küste und in Istanbul suchen nach der Lust, obwohl sie natürlich auch Reisen zu den historischen Denkmälern unseres Landes unternehmen, von denen wir viele haben. Leider gibt es aber auch solche, die Minderjährige ausbeuten. Wir haben 16 -jährige Mädchen entdeckt, die im Alter von 14 Jahren hierher verschleppt wurden. Sie haben mit falschen Papieren in Bordellen gearbeitet, und die Behörden haben einfach weggesehen. Wenn die Menschenhändler die Mädchen leid sind, dann rufen sie einfach die Polizei an und liefern sie ab. Oder sie rufen an, und wenn dann die Polizei ihre Razzia veranstaltet, sind die Zuhälter zufälligerweise nicht da. Die meisten Mädchen haben echte Papiere, aber mit falschen Angaben.
Was der Polizeibeamte beschreibt, konnte ich in aller Welt beobachten: Beamte von Einwanderungsbehörden, Konsulaten und sogar die Botschaften selbst geben auf Grundlage falscher Dokumente echte Papiere aus. Mein Gesprächspartner erklärt mir, wie schwer es ist, eine Sexsklavin zu erkennen, wenn sie echte Papiere hat: Wenn die Grenzbeamten auf einen bloßen Verdacht oder auf das Aussehen hin die Dokumente überprüfen wollten, dann käme es an den Grenzen zum Chaos und in der Diplomatie zu Krisen. »Deswegen gehen viele Beamte einem Verdachtsmoment nicht nach, denn sie könnten sich ja täuschen«, erklärt Mahmut. »Dazu kommt, dass erwachsene Frauen aus einigen Ländern in unseren Augen aussehen wie Mädchen, zum Beispiel Frauen aus der Mongolei oder Kambodscha. Ich habe Frauen aus den Philippinen gesehen, die aussehen wie 16 und die in Wirklichkeit 25 sind. Man weiß es einfach nicht.« Er denkt laut nach.
Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder gegen sexuelle Ausbeutung (End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purpose, kurz ECPAT ) sind 16 Prozent der befreiten Sexsklavinnen in der Türkei minderjährig. Der Polizeibeamte bestätigt diese Zahlen. Er wiederholt, dass die Prostitution in der Türkei als Geschäft gilt, nicht als kriminelle Aktivität. Das passt zu den Berichten der Kinderhilfsorganisation Save the Children, die feststellt, dass sich in Ländern, in denen die Prostitution legal ist, auch Pädophile tummeln und einen Markt für die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger schaffen.
Sosehr das türkische Außenministerium sich um eine geschönte Darstellung bemüht, seine Zahlen sprechen Bände: Im Jahr 2006 wurden 422 Männer festgenommen, im Jahr 2007 waren es 308 und bis Ende 2008 nur noch 255 , vor allem Kunden und in einigen Ausnahmefällen Opfer, die von den Behörden der Komplizenschaft mit den Menschenhändlern beschuldigt wurden. Alles deutet darauf hin, dass die türkische Regierung die sexuelle Ausbeutung teilweise unter Strafe gestellt
Weitere Kostenlose Bücher