Sklaverei
BMW s. Sie besaß ein Hotel in Deutschland und eine Luxusyacht, auf der sie ihre mächtigen Freunde durchs Mittelmeer schipperte.
Der Fall Matilde verdeutlicht mir die Komplexität des Themas und gibt mir Gelegenheit, jenseits der moralischen Entrüstung den Unterschied zwischen Prostitution und Sexsklaverei zu erörtern. An welchem Punkt entscheidet sich eine Frau, die ihr Geld mit der Prostitution verdient, Minderjährige zu versklaven? Wie viele Zuhälter gibt es in aller Welt, die heute wie Matilde über das Leben und die Zukunft eines Mädchens oder einer jungen Frau entscheiden? Was passiert, wenn sie Prostitution und Menschenhandel vermischen? Wenn die Zuhälter über wirtschaftliche und politische Macht verfügen, wird es unmöglich, über polizeiliche Ermittlungen und Prozesse das Netzwerk der Sklaverei zu entflechten. Mahmut meint dazu:
Das ist eine komplizierte Angelegenheit. Als der Staat versuchte, das Problem des Heroinhandels zu bekämpfen, passierte etwas ganz Ähnliches. Im Jahr 1998 , als die türkische, die albanische und die serbische Mafia hier aktiv waren, war es für die Regierung einfacher, die Hände in den Schoß zu legen. Die Türkei hat den Segen und den Fluch, zu Europa und zu Asien zu gehören und die Brücke zwischen beiden Welten zu sein. Der Weg über den Balkan war schon immer kompliziert. Wir können nicht behaupten, dass die türkischen Behörden nicht korrupt wären. In aller Welt gibt es Politiker und Polizisten, die sich für ein paar Dollars oder Euros verkaufen.
Wir haben die IOM in die Türkei geholt, damit uns die Europäer und Amerikaner als gleichberechtigte Partner behandeln. Niemand spricht darüber, dass sich das Arrangement mit der Mafia einfach verändert hat. Wenn ein Land wirklich ein Interesse daran hat, gegen den Waffenhandel vorzugehen, dann wartet es nicht damit – aber das passiert nur, wenn es das Gefühl hat, dass seine nationalen oder wirtschaftlichen Interessen bedroht sind. Der Handel mit Frauen ist seit mindestens 20 Jahren ein großes Geschäft für die russische und die albanische Mafia, die von Makedonien aus operiert und mit der türkischen Mafia Geschäfte macht.
Einige internationale Experten wie Moisés Naím meinen zwar, die grenzübergreifende Zusammenarbeit der mächtigsten Verbrechersyndikate sei nicht mehr als ein Hirngespinst von Krimiautoren; andere Experten, die auf der Straße unterwegs sind, versichern uns jedoch, dass diese Kooperation längst Wirklichkeit ist: Die Globalisierung der Mafia ist ein fester Bestandteil der internationalen Wirtschaft. Die volle Tragweite von Mahmuts Bemerkungen verstehe ich erst einige Monate nach unserem Gespräch, als ich folgende Nachricht lese: Eine türkische Sondereinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens nimmt in Istanbul vier Japaner fest, die zu einem Ableger der Yakuza gehören und in der Türkei über iranische Drogenhändler Metamphetamine einkaufen. Zwei der Japaner sind bei ihrer Verhaftung im Besitz von 150 000 Pillen, ihre beiden Komplizen werden unabhängig voneinander mit je 200 000 Pillen erwischt. Auf derselben Route, auf der die Drogen von Iran nach Istanbul kommen, werden auch Sklavinnen gehandelt. Mahmut erklärt mir, die Drogenhändler seien nicht unbedingt identisch mit den Mädchenhändlern, doch die Route würde von denselben Syndikaten kontrolliert. Er versichert mir, einige seiner türkischen und iranischen Kollegen, die sich über den Drogenhandel entrüsteten, tolerierten den Handel mit Mädchen und Frauen, weil sie meinen, sie prostituierten sich freiwillig.
Mahmut berichtet mir von den großen Razzien unter der albanischen und serbischen Mafia, die Ende der neunziger Jahre in Skandinavien durchgeführt wurden. Am 23 . Februar 1993 wurde der in Schweden und Dänemark gesuchte serbische »Pate« Princ Dobroshi, Jahrgang 1964 , in Norwegen festgenommen. Er wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt, aber entkam 1997 seinem Gefängnis in Ullersmo. Obwohl er sich mehreren Gesichtsoperationen unterzog, wurde er 1998 in Prag gestellt und erneut verhaftet. Dobroshi gestand, dass der Drogenhandel in Europa dazu gedient habe, Waffen zu kaufen, die später im Kosovokrieg zum Einsatz kamen. Wie nebenbei erwähnen die Ermittlungsberichte, dass der Mädchenhandel und die Schutzgelderpressung von Bordellen ebenfalls zu den Geschäften dieses Ehrenmannes gehörten. Ein Großteil der Mitglieder von Dobroshis Kartell landete in schwedischen und tschechischen
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