Sklaverei
herausforderte.
Zorn und dauernde Diffamierungen sind keine Hilfe, wenn es darum geht, das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung anderer Menschen zu schützen. Daher habe ich von empörtesten Sklavereigegnern aus den religiösen Gruppierungen einerseits und den intolerantesten Reglementierern andererseits viel darüber gelernt, wie Ressentiments und der Wunsch nach Kontrolle über das Leben anderer Menschen, nicht zu vergessen mangelndes Mitgefühl mit dem Leid anderer, nur den Dialog verhindern und im Fanatismus enden. Der mexikanische Dichter und Nobelpreisträger Octavio Paz sagte einmal, das große moralische und spirituelle Elend der liberalen Demokratien sei ihre Gefühllosigkeit. Das Geld hat die Erotik getötet, denn es hat die Seelen und Herzen zerfressen. Vielleicht besteht die große Herausforderung der modernen Gesellschaft darin, Liebe und Erotik neu zu erfinden, und zwar ohne gewalttätigen Atavismus.
Nachdem ich lange als Menschenrechtsaktivistin gearbeitet hatte, habe ich vor gut einem Jahrzehnt im mexikanischen Cancún eine stark gesicherte Betreuungsstätte gegründet. Dort erhalten Frauen und Kinder, die Opfer von verschiedenen Formen der Gewalt wurden, die notwendige Unterstützung, um einen Prozess der Heilung zu beginnen. Diese Erfahrung hat mich zutiefst geprägt. Ich habe gelernt, dass die Opfer in ihrem eigenen Fall die einzigen Experten sind. Unterstützt durch geeignete Techniken und Prozesse sind sie es selbst, die den Weg zur emotionalen Heilung finden und in ein neues Leben aufbrechen. Ich habe gelernt, dass aus Opfern nur dann Überlebende werden, wenn sie die Freiheit dazu haben. Nur so können sie die Entscheidung treffen, den Schmerz hinter sich zu lassen. Nur so wachen die aus der Sklaverei befreiten Mädchen und Jungen eines Tages mit der Gewissheit auf, dass das menschliche Leben etwas anderes bedeutet. Und nur so sehen wir neu und lernen, unsere Seele zu neuem Leben zu erwecken. Damit es dazu kommt, müssen die Menschen, die sie auf ihrem Weg begleiten, zuallererst die Selbstbestimmung der Opfer respektieren. Ihre Feinde sind die Kunden des Sklavenmarktes, und ihre Verbündeten können die Millionen von Menschen sein, die bereit sind, die Sklaverei aus einem Respekt für das Anderssein abzulehnen.
Anhang
Wichtige Begriffe
Worüber wir wie sprechen
An dieser Stelle möchte ich in alphabetischer Reihenfolge einige der grundlegenden Begriffe, Definitionen und Konzepte zusammenstellen, die ich in diesem Buch verwendet habe. Ich habe Begriffe ausgewählt, über die meiner Ansicht nach ein Verständnis zwischen meinen Lesern und den Menschen bestehen sollte, die auf diesen Seiten zu Wort kommen. Außerdem erkläre ich Begriffe, die meinen eigenen Erkenntnissen und Überlegungen entspringen. Jede Sprache hat ihre eigenen Bezeichnungen, doch das Phänomen bleibt dasselbe. Zur Vereinfachung verwende ich wo immer möglich die Begrifflichkeiten aus den internationalen Verträgen und Übereinkommen, die von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen unterzeichnet wurden.
Gewalt gegen Frauen oder Mädchen: Gewalttaten, die gegen Angehörige des weiblichen Geschlechts als solche verübt werden und körperliche, sexuelle und psychische Konsequenzen haben können, beziehungsweise die Androhung dieser Gewalttaten sowie willkürliche Freiheitsberaubung sowohl im öffentlichen wie im Privatleben.
Geldwäsche: Einschleusen von Vermögenswerten, die aus Verbrechen oder bestimmten anderen Straftaten herrühren, in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf unter Verschleierung ihrer Herkunft und Vortäuschung einer rechtmäßigen Einnahme. [30]
Häusliche Gewalt gegen Frauen: In der Regel versteht man darunter einzelne Gewalttaten, obwohl sich dahinter in Wirklichkeit ein System der Machtausübung verbirgt, mit dem der Aggressor seine Partnerin, Frau, Exfrau oder Tochter kontrolliert. Zu den Strategien, mit denen Männer ihre Opfer beherrschen, gehören Isolation, Einschüchterung, Drohungen sowie emotionaler, ökonomischer und sexueller Missbrauch. Frauen und Mädchen, die Opfer der frauenfeindlichen häuslichen Gewalt werden, lernen, die Zwangsherrschaft als Normalität wahrzunehmen, und sind anfälliger gegenüber Menschenhändlern.
Kommerzielle sexuelle Ausbeutung: Gesellschaftliches Phänomen, das unter anderem den sexuellen Missbrauch von Frauen und Kindern zum finanziellen Vorteil von einem oder mehreren Beteiligten beinhaltet. Dazu gehört auch die
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