Sklaverei
Flughafen gefahren. Ich weiß nicht, ob er mich freigekauft hat, aber im ersten Jahr bin ich nicht vor die Tür gegangen, nicht mal ans Fenster. Ich habe immer noch Angst, dass sie mich umbringen und in Stücke hacken. Ich habe seitdem kein Fleisch mehr angerührt.
Ich verabschiede mich von Qui und ihrem Bruder und verspreche ihnen, dass ich der Frage nachgehen werde, warum die kambodschanischen Behörden die Beteiligung der Mafia am Handel mit Frauen und Mädchen so hartnäckig leugnen.
Die Menschenrechtsaktivisten, vor allem Europäer und Amerikaner, die ich interviewe, sehen mich meist nur mit großen Augen an, wenn ich sie nach der Beteiligung der Mafia frage. »Das kann durchaus sein«, meinte ein Engländer. »Aber wir haben keine Zeit, uns mit dieser Frage zu beschäftigen. Wir wollen Mädchen und Frauen befreien und uns nicht mit Verbrechersyndikaten herumschlagen.« Ein christlicher Pastor antwortete: »Es ist die Korruption der Behörden. Die eigentliche Mafia ist der Staat, der die Freier laufenlässt.« Eine Amerikanerin meinte gar, »Interpol sagt, es gibt gar keine große Mafia. In dieser Gegend ist es ein Problem der Kultur, der Diskriminierung und der Armut.« Das behaupteten auch die Behörden in meiner Heimat Mexiko, bis ich mein Buch
Los Demonios del Edén
veröffentlichte und mitgeschnittene Telefongespräche eines reichen Geschäftsmannes vorlegte, die Gouverneure, Senatoren und Polizeibeamte belasteten und ihre Beteiligung am Kinderhandel, der Kinderpornographie und dem Sextourismus nachwiesen.
Die Triaden
Ich weiß nicht, was die ganze Aufregung soll. Die Leute sagen, »Die bringen die Mädchen um.« Die Chinesen bringen die Mädchen um, weil sie nur ein Kind haben dürfen. Wir bringen sie nicht um, wir besorgen ihnen eine Arbeit. Ach, und sie sagen: »Sie verkaufen die Mädchen, was sind die Chinesen doch für schlechte Menschen.« Aber ich sage, sie haben Männer und Arbeit. Wir besorgen ihnen das im Ausland. Die Leute sagen: »Die Chinesen sind schlechte Menschen.« Die Leute sind dumm.
In der Provinz Chongqing verhafteter Menschenhändler
»Vor wem haben Sie Angst?«, frage ich den Beamten aus dem kambodschanischen Sozialministerium, der mich verständnislos anblickt. »Vor den chinesischen Triaden? Oder vor der korrupten Polizei?« Seine Augen weiten sich, er beugt sich zu mir vor und sagt: »Madame, bitte, sprechen Sie nicht so laut.« Er faltet bittend die Hände, atmet mit buddhistischer Diskretion tief ein und sieht mir im weiteren Verlauf unseres Gesprächs nicht mehr in die Augen.
»Die Regierung des Königreichs Kambodscha arbeitet mit den Vereinigten Staaten im Kampf gegen das weltweite Problem des Menschenhandels und der Zwangsprostitution zusammen.« Der Beamte spricht, als würde er ein Rundschreiben des Tourismusministeriums vorlesen. Nach unserer kurzen Unterredung reicht er mir wortlos eine Karte. Auf ihr stehen die Daten eines Informanten bei der kambodschanischen Polizei. »Ich kenne Sie nicht, Madame«, sagt er mir zum Abschied und verbeugt sich. »Ich Sie auch nicht«, erwidere ich, hebe die zusammengelegten Hände vor mein Gesicht und lächle, dankbar für sein Vertrauen. Ein Freund in der Internationalen Organisation für Migration ( IOM ) hatte den Kontakt hergestellt. Die beiden vertrauen einander, und ich bin die Nutznießerin dieser beruflichen Freundschaft. In Kambodscha, wie in allen Ländern, gibt es innerhalb des Systems Beamte, die bereit sind, gegen die Korruption zu kämpfen. Sie wissen, wie sie mit dem Monster umzugehen haben, denn sie leben in seinen Eingeweiden. Deshalb sprechen sie in ihren Büros so wenig wie möglich, denn die Wände haben Ohren, und ihre Sekretärinnen, Bürohilfen, Assistenten oder Vorgesetzten könnten mit der Mafia unter einer Decke stecken.
Viele Menschen haben Angst, das Wort »Triade« laut auszusprechen. Der Name stammt vom dreieckigen Symbol der Sanhehui-Mafia, der Gesellschaft der dreifachen Harmonie zwischen Himmel, Erde und Menschen. Die Ursprünge der Triaden gehen bis ins 17 . Jahrhundert zurück. Als die Invasoren aus der Mandschurei die Ming-Dynastie auslöschten, übernahmen sie als »Ching-Dynastie«, die im Rest der Welt meist als »Mandschu-Dynastie« bezeichnet wird, die Macht. Eine Widerstandsgruppe mit dem Namen Tian Di Hui (die Gesellschaft von Himmel und Erde), die der Ming-Dynastie treu war, schuf eine große Bewegung aus Arbeitern und Bürgern, die bereit waren, ihre Stammesideen zu verteidigen.
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