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Sklaverei

Sklaverei

Titel: Sklaverei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Cacho
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auch Opfer. Ihre Neffen waren genauso grausam wie sie.
    In der Ausbildung sollten die Mädchen lernen, dass die Männer sie gut behandelten und ihnen Essen und Spielsachen gaben, wenn sie sich richtig verhielten. In einem Englisch-Crashkurs lernten sie zu sagen, dass ein Mädchen 30  Dollar kostete, und zwei zusammen 60 . Sie lernten Sätze wie »me ten years old« und »I am virgin, Sir«. Mädchen, die noch keine zehn Jahre alt waren, hatten erst Geschlechtsverkehr, wenn sich ein Kunde fand, der den richtigen Preis zu zahlen bereit war. Mädchen, die älter als zehn Jahre alt waren, wurden mehrmals für bis zu 300  Dollar als Jungfrauen verkauft.
    Wenn man bedenkt, dass 20 - oder 30 -jährige Frauen nur noch drei Dollar pro Stunde verlangen können, wird klar, warum die Menschenhändler nach immer jüngeren Mädchen suchen. Die einheimischen Kunden bezahlen zwar wenig, doch es reicht, um das Geschäft am Laufen zu halten, neue Sklavinnen zu kaufen, die Polizei zu bestechen und Werbung zu machen, um den »sicheren« Sextourismus aus Europa, Asien, Kanada und den Vereinigten Staaten anzulocken.
    Nach der ersten Vergewaltigung verstanden die Mädchen, dass sie nur überlebten, wenn sie das taten, was ihre Bosse und Kunden – vor allem Koreaner, Japaner und zu 30  Prozent Europäer und Amerikaner – von ihnen verlangten.
    Eines der Mädchen war besonders auffällig. Sie hatte rabenschwarzes Haar, hellgrüne Augen und ungewöhnlich hellbraune Haut. Sie sah aus wie eine Puppe, wie eine Fee aus dem Märchen. Sie wollte abhauen, ihr Vater hatte sie in Vietnam an einen Mann verkauft, und sie sprach unsere Sprache nicht. Eines Tages konnte sie entkommen. Yi Mam fuhr mit dem Chauffeur zum Einkaufen auf den Markt, und sie versteckte sich im Auto. Wir wussten nicht wie, aber sie war sich sicher, dass sie fliehen würde. Sie war immer wütend, und sie haben sie oft eingesperrt, weil sie die Klienten angespuckt hat. Zweimal kam ein Arzt, um sie zu untersuchen, weil sie stark blutete, und sie bekam fast einen Monat lang keine Klienten. Sie war glücklich. Es sah so aus, als hätte sie sich absichtlich schlecht benommen. Wir wussten, wenn wir uns widersetzten, dann wurden einige der Klienten gewalttätig. Es war besser zu gehorchen.
    Wir wussten, dass das Mädchen weggelaufen war, weil Yi Mam uns alle schlug und in getrennte Zimmer einsperrte. Sie gaben uns den ganzen Tag über nichts zu essen und brachten uns nicht zu Klienten. Am nächsten Tag gaben sie uns ein bisschen Milch, und mittags riefen sie uns alle ins Esszimmer. Yi Mam hatte zwei Männer dabei. Einen hatten wir noch nie gesehen, und sie sagten uns, er sei Chinese, aber ich habe keine Ahnung. Er sprach in einer Sprache, die wir nicht verstanden, und Yi Mam sagte uns, das Püppchen hätte etwas ganz Schlimmes getan.
    Qui schweigt. Sie trinkt einen Schluck Wasser. Ich sehe, dass ihre Hände ein wenig zittern. Ich lege den Stift und das Notizbuch auf den Tisch, hole eine Wasserflasche aus meinem Rucksack, und wir lächeln uns an. Ihr Bruder steht auf und kommt etwa zehn Minuten später mit einer Teekanne und drei Tassen zurück. Schweigend trinken wir einige Schlucke grünen Tee. Ich danke Qui noch einmal, dass sie mir ihre Geschichte erzählt, und sage ihr, dass ich ihren Schmerz respektiere. Sie seufzt mit einem Ausdruck des Ekels im Gesicht. Doch gleichzeitig wirkt sie entschlossen. Sie spürt ein Gefühl der Verantwortung, Zeugnis über die Grausamkeiten abzulegen, die sie erlebt hat.
    Sie befahlen uns, zu essen. Wir hatten großen Hunger und verschlangen ein Curry mit Huhn und Reis. Sie sahen uns beim Essen zu. Als wir fertig waren, übersetzte uns Yi Mam, was der Mann sagte. Sie sagte, was wir gerade gegessen hätten, sei der Körper des Püppchens gewesen. Wenn es irgendjemandem von uns einfallen würde zu fliehen, dann würden sie uns in kleine Stückchen schneiden, und die anderen müssten uns essen. An diesem Abend mussten wir uns alle übergeben. Ich glaube, es war die Angst.
    Ich bin nicht allein geflohen. Ein paar Monate später kam ein belgischer Kunde an drei aufeinanderfolgenden Nächten und sagte mir, er hätte sich in mich verliebt. Er war gut und fürsorglich, und er hat mir nicht so weh getan. Beim dritten Mal haben sie mich in sein Hotel gebracht. Er hat mir nichts gesagt. Wir wurden von einem Auto abgeholt, er hatte seinen Koffer, und sie haben mich in das Haus einer Hilfsorganisation gebracht, die junge Prostituierte rettet. Er ist weiter zum

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