Sklavin der Hölle
übernachten. Bisher hatte sie noch nicht angerufen und etwas darüber gesagt, aber Miller saß kaum in seinem Audi, als sich das Handy meldete. Zuerst hörte er die Hintergrundgeräusche. Viele Frauenstimmen und dazu das laute Lachen.
»Ich bin es«, erklang die Stimme seiner Frau.
»Das hört man, Ruth. Du bleibst?«
»Ja, ich denke schon.«
»Gut.«
»Und wo habe ich dich erreicht?«, fragte sie.
»Ich wollte gerade nach Hause fahren und sitze jetzt im Wagen. Es ist spät geworden, aber ich habe keine Lust, in der Klinik zu übernachten. Es reicht mir.«
»Kann ich verstehen. War der Tag so hart?«
»Leider.«
»Was ist denn passiert?«
»Das erzähle ich dir später, Ruth«, versprach er.
»Okay, dann schlaf gut.«
»Danke, du auch.«
»Vielleicht rufe ich noch mal in einer Stunde an.«
»Tu das.«
Dick Miller ließ das Handy wieder verschwinden und startete den Audi A4.
Natürlich konnte er nach einem derartigen Tag nicht abschalten. Die Bilder stiegen immer wieder plastisch vor seine Augen. Er sah den Tagesablauf in einem bestimmten Rhythmus ablaufen, und zum Schluss blieb das schrecklich veränderte Gesicht der Toten in seiner Erinnerung hängen.
Wie war so etwas möglich?
Er wusste es nicht. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken und wurde die Gedanken trotzdem nicht los. Als er von der Straße abbog und den Weg zu seinem Haus hinfuhr, das am Rand der kleinen Ortschaft stand, atmete er auf.
Das Licht hatte sich automatisch eingeschaltet. Der Eingang lag im Hellen. Ebenso wie die Umgebung der Garage an der Vorderseite. Das Licht gab ihm stets eine gewisse Sicherheit und sollte zugleich finstere Gestalten abschrecken.
Das nächste Haus stand jenseits einer Weide, die im Winter leer war.
Miller stieg aus. Jetzt merkte er wieder den kalten Wind, der an der Hauswand entlangfuhr. Als er die Tür aufgeschlossen hatte und den Mantel auszog, um ihn aufzuhängen, merkte er, dass er nicht in der Lage war, sich hinzulegen und zu schlafen.
Er war innerlich viel zu aufgeregt. Er musste sich beruhigen, und da tat ihm ein Drink gut.
Miller liebte Whisky. Auf einem Regal in seinem Wohnzimmer standen einige Sorten zur Auswahl. Diesmal dachte er nicht lange nach. Er griff zur ersten Flasche und schenkte sich einen dreifachen Drink ein. Mit dem Glas in der Hand wanderte er durch das Haus und fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl.
Ein unangenehmes Gefühl hatte sich seiner bemächtigt. Er fühlte sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher. Es war so still um ihn herum. Wenn er ein Geräusch hörte, dann fühlte er sich sofort beunruhigt.
Ohne dass es ihm bewusst wurde, hatte er sich dem Anbau genähert. Vor dessen Zugang blieb er stehen. Er schaute gegen die Tür, um sie dann zu öffnen.
Jetzt empfing ihn seine Welt. Hier frönte er seinem Hobby, der Züchtung von Rosen.
Er musste sie in einem warmen Raum halten. Im Winter wären die kostbaren Pflanzen erfroren.
Die warme Luft machte ihm nichts aus. Er war froh, nicht mehr in der Kälte zu stehen, und mit sehr gemächlichen Schritten betrat er das Treibhaus.
Drei Beete hatte er angelegt. Hochbeete. Sie befanden sich in Höhe seiner Gürtelschnalle. Was vor ihm lag, war sein Reich. Er hatte auch das Licht eingeschaltet, und er hatte sich in dieser Umgebung stets wohl gefühlt. Hier konnte er sich ausleben und sich an seinen Pflanzen erfreuen. Selbst im Winter Rosen zu züchten, das war schon etwas.
Im Moment ging bei ihm nichts mehr. Er stand da. Er schaute. Er starrte, und er spürte das kalte Rieseln auf seinem Rücken, das ihn sogar frieren ließ.
Er hob das Glas gegen die Lippen und trank wieder einen Schluck Whisky. Auch der wollte ihm nicht so recht schmecken und hinterließ sogar einen bitteren Geschmack in seiner Kehle.
Dann ging er weiter. Das Licht fiel von der Decke auf die zahlreichen Pflanzen, die in verschiedenen Farben leuchteten.
Der Anbau war nicht unbedingt groß. Rund vierzig Quadratmeter maß er. Das reichte ihm allerdings aus, denn so konnte er sich um jede seiner Lieblinge kümmern.
Aber das dumpfe Gefühl wollte nicht weichen. Es hatte seiner Meinung nach nichts mit den Vorgängen in der Klinik zu tun. Es lag einzig und allein an dieser Umgebung, die ihm nicht mehr so vorkam wie sonst und ihm recht fremd geworden war.
Plötzlich hätte er etwas darum gegeben, seine Frau in der Nähe zu wissen. Sie war nicht da, und trotzdem kam es Miller vor, nicht mehr allein zu sein.
Er drehte sich um.
Der Blick zum
Weitere Kostenlose Bücher