Sklavin des Herzens
miteinander reden – an dem Tag, als Sie den Tod des armen Murad befahlen. Haben Sie mich weggehen sehen? Haben Sie deshalb versucht, mich zu vergiften, Mara?«
Das war eine Vermutung, doch der Hieb saß. Die Frau gab es auf, die Unschuldige zu spielen, und fauchte: »Zu schade, daß es nicht klappte. Ich hätte die zusätzlichen Edelsteine, die mir des Herrschers Wut und Kummer eingebracht hätten, gut gebrauchen können.«
»Ja, es muß Ihnen immer schwerer fallen, sie zu stehlen, da nun jeder weiß, was für eine schlaue Diebin unter uns weilt.«
»Für mich bedeutete das eine Herausforderung. Ich fand es aufregend.«
Chantelle schüttelte erstaunt den Kopf. Die Frau prahlte nun. Sie schien überhaupt keine Angst zu haben, entlarvt zu werden.
»Das alles, um Jamil zu töten? Warum, Mara? Das Auspeitschen kann nicht schuld sein, weil man mir gesagt hat, daß Sie das mögen.«
Mara wurde plötzlich wütend. »Was wissen Sie denn davon, Sie blöde Hure? Ich hasse ihn. Ich hasse alle Männer, aber besonders Jamil, da er meine Schande entdeckt und gegen mich verwendet hat. Glauben Sie, ich bin stolz darauf, daß ich Lust nur durch Schmerzen empfinden kann? Wenn ich den Mann fände, der mich so gemacht hat, würde ich ihn in kleine Stücke hacken, langsam, so daß er bis zum Schluß am Leben bliebe. Aber zuerst würde ich seine Hoden rösten und seinen …«
»Es tut mir leid, daß Sie durch Ihr erstes Erlebnis so … bizarr beeinträchtigt wurden, aber Jamil hat Ihnen nichts angetan, das Sie ihm nicht erlaubt hätten. Sie hätten jederzeit die Behandlung stoppen können, indem Sie ganz einfach Ihre Gefühle enthüllt hätten.«
»Niemand verweigert dem Herrscher, was er sich wünscht.«
»Ich tat es.«
»Für wie lange?« höhnte Mara.
Obwohl Chantelles Wangen sich rosig färbten, blieb ihre Stimme fest. »Das war etwas anderes. Ich wurde verführt, nicht bedroht. Und es hätte nie geschehen können, wenn ich mich von dem Mann nicht angezogen fühlen würde.«
»Wie fabelhaft für Sie, aber mich ekelt er an«, rief Mara schneidend. »Und Orji sagte mir, ich hätte keine Wahl.«
Das waren wieder diese Worte, die Chantelle haßte. Keine Wahl. Dasselbe hatte man ihr auch eingeimpft. Sie konnte Maras Dilemma verstehen. Und dennoch – als es darauf ankam, war Chantelle nicht gezwungen worden. Es waren nur leere Drohungen, die die Frauen soweit bringen sollten, sich bereitwillig zu fügen. Warum sollte es in Maras Fall anders gewesen sein? Jamil war nicht der grausame Tyrann, für den Chantelle ihn anfangs gehalten hatte.
»Sie hätten versuchen müssen, die unwürdigenden Szenen zu stoppen, anstatt Ihren Haß bis zu diesem Ausmaß anwachsen zu lassen. Jamil ist im Grunde ein zärtlicher Mensch. Wie oft benutzte er Sie, ehe Sie beschlossen, ihn zu töten?«
»Einmal war schon zuviel.«
»Aber durch die Anschläge vermehrten Sie nur Ihr eigenes Leid. Oder ahnten Sie nicht, daß die Aufregungen ihn in schwierige Stimmungen versetzen würden?«
»Ihn tot zu sehen, war aller Mühe wert.«
»Wie dumm das ist!« erklärte Chantelle ärgerlich. »Wenn Jamil stirbt, werden wir alle Eigentum des neuen Herrschers, und das wird Selim sein. Wie ich hörte, gibt es keinen gnadenloseren oder brutaleren als ihn. Glauben Sie, er würde Sie nicht ebenso benützen? Manche Männer finden Freude daran, Schmerzen zuzufügen, und er scheint einer von diesen zu sein.«
Mara lachte. »So dumm bin ich nicht, Engländerin! Selim kann seine Gemeinheit nicht mehr austoben. Er ist schon seit Monaten tot. Er wurde in Istanbul von einem seiner eigenen Sklaven ermordet und verscharrt.«
Chantelle hielt bei dieser überraschenden Nachricht den Atem an. »Woher wissen Sie das?«
»Der schuldige Sklave war blöd genug, hierher zurückzukehren und sich im Suff einem alten Freund gegenüber mit seiner Tat zu brüsten. Der alte Freund war Ali, und der war so schlau, den Burschen umzubringen, ehe er die Information weitergeben konnte.« – »Aber Ihnen hat er es erzählt?«
»Natürlich. Er wußte, wie sehr ich Jamil hasse. Und er sah hier die perfekte Gelegenheit, ihn loszuwerden, da er wußte, daß man sofort Selim verdächtigen würde. Tote Männer können sich nicht verteidigen.«
»Aber warum kümmerte sich dieser Ali um Ihre Probleme? Er ist doch sicher ein Eunuche, und nicht einmal Ihr eigener?«
»So? Daß er Noura gehört, heißt noch nicht, daß er sie lieben muß, oder? Er liebt mich.« Mara machte ein selbstgefälliges
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