Sklavin des Herzens
daran, es dir zu verraten …« – »Wir beide dachten daran«, warf Derek ein.
»Um die Täuschung perfekt zu machen, war es besser, wenn keiner sein Verhalten verräterisch änderte.«
»Du selbst ausgenommen.« Sie lächelte und drückte verständnisvoll seine Hand.
»Ja, gut, mein Verhalten war bereits seit Monaten unvorhersehbar, deshalb konnten eventuelle Fehler von Kasim dieser Unberechenbarkeit zugeschrieben werden. Doch auch jetzt soll niemand wissen, daß er hier war. Er möchte nicht ›wiederbelebt‹ und auch nicht als mein eventueller Nachfolger angesehen werden, falls mir etwas passieren sollte, ehe meine Söhne zu Männern herangewachsen sind.«
Das war ein Wink, der an Rahines Seele nagte. Sie wandte sich Kasim zu, und ihre Augen schwammen wieder in Tränen.
»Dann ist dein Leben also … erträglich?«
»Mehr als erträglich, Mutter.« Er lächelte ihr zu. »Es ist mir wunderbar angenehm.«
Ihr Hals schnürte sich zusammen; sie wußte nicht, ob sie Derek glauben sollte oder nicht. »Es … es tut mir so leid, Kasim«, flüsterte sie gebrochen. »Schon gleich, als du weg warst, bereute ich, dich fortgeschickt zu haben. Ich betete und betete, du mögest es wissen, es irgendwie spüren. Ich hätte nie geglaubt, daß ich dich wiedersehen dürfte, um es dir sagen zu können.«
»Ich wußte es immer«, versicherte er. »Und als ich deinem Vater begegnete, verstand ich es sofort. Ich liebe ihn inzwischen so sehr, wie du ihn geliebt hast. Natürlich ist er in seinen alten Tagen recht diktatorisch geworden.«
Sie lächelte über die Heiterkeit in den Augen ihres Sohnes. »Wirklich?«
»Ich soll heiraten, weißt du! Er hat sogar ein Schiff hierher geschickt, das mich heimholen soll. Er traute mir nicht, den Weg allein zu finden.« Sie lachte – und das hatte er beabsichtigt. Dann meinte er zärtlich: »Ich bedaure nichts, Mutter, deshalb darfst du auch nichts bedauern.«
»Ich verdiene es nicht, daß du mir verzeihst. Jamil hat mir nie …«
Derek unterbrach sie: »Jamil ist ein dickköpfiger Narr.«
»Nein, das darfst du nicht sagen …«
Diesmal unterbrach Jamil sie: »Er hat recht, Mutter.«
Rahines Brust wollte vor Schmerz fast bersten, als er plötzlich den Kopf in ihrem Schoß vergrub und mit gequälter Stimme bat: »Kannst du mir vergeben?«
»Bitte, Jamil … bitte nicht.« Sie war unfähig, die Tränen zurückzuhalten, die ihr erneut über die Wangen liefen. Sanft hob sie seinen Kopf an die Brust. »Ich habe deinen Kummer und Ärger immer verstanden. Ihr beiden wart ein Herz und eine Seele, und ich durchtrennte das Band. Ich hatte kein Recht dazu, und ich machte es dir nie zum Vorwurf, daß du mich haßtest.«
»Aber ich haßte dich nicht – ich konnte nicht. Und als ich das schließlich begriff, nahm ich dir die Barriere übel, die ich zwischen uns aufgerichtet hatte. Das war verkehrt …«
»Aber jetzt ist alles gut, Jamil – ehrlich.«
Hier mischte sich Derek ein. Er meinte mürrisch: »Das bedeutet vermutlich, daß du nicht mit mir nach Hause kommst.«
Rahine mußte über seinen Ton lachen. »Ach, Kasim, du hast doch nicht angenommen, daß ich mitkommen würde! Für die Menschen in England existiere ich nicht mehr, wie du für die hiesige Welt nicht mehr existierst. Bestimmt hält man mich nach all den Jahren für tot.«
»Wegen deiner langen Abwesenheit wurde so etwas erwähnt«, gab Derek zu.
»Na, also. Wir beide haben unser Leben verschieden eingerichtet und wollen es dabei belassen.«
»Du könntest noch einmal neu beginnen, eine neue Identität annehmen, deinen Vater wiedersehen.«
»Das ist unfair«, tadelte sie sanft. »Er hat jetzt dich. Er braucht mich nicht. Aber Jamil braucht mich.«
»Hör auf, mit ihr zu diskutieren, Kasim«, befahl Jamil reizbar. »Sie bleibt hier.«
Derek gab bereitwillig nach, da er überstimmt war. »Sieh aber zu, Bruder, daß sie in Zukunft merkt, wie sehr sie geschätzt wird, sonst nehme ich mir ein Beispiel an dem Marquis und schicke ihr ein Schiff für die Heimkehr.«
Jamil brummte etwas, doch später mußte er Derek versprechen, daß es Rahine nie wieder an irgend etwas mangeln würde -weder seelisch noch sonst.
46
Chantelle brauchte mehrere Wochen, bis sie von Langeweile gepackt wurde. Sie hatte gedacht, diese Seereise würde sich von ihrer ersten, die in die Gefangenschaft führte, wesentlich unterscheiden, doch das war nicht der Fall.
Chantelle wurde in ihrer Kabine eingesperrt, die Ausblicke und Aktivitäten an Bord
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