Sklavin des Herzens
verschwendet wurde, und das geschah mit der Mehrheit der weiblichen Wesen in einem großen Harem. Es konnte nur eine gewisse Anzahl Favoritinnen geben, und die übrigen, die vielleicht gelegentlich das Auge ihres Meisters auf sich zogen, verbrachten ihre Tage in gelangweilter Untätigkeit ohne Zukunftsaussichten – und die Nächte allein.
Daß das für Jamil von Belang war, konnte überraschen, aber es entsprach den Tatsachen. Schon ehe die Gerüchte aufgekommen waren, er liebe seine erste Frau, Sheelah, hatte er so empfunden. Als Angehöriger seines Kulturkreises stand er allein da mit der Ansicht, jede Frau in seinem Harem müsse sich von ihrem Gebieter geschätzt fühlen. Und er erschöpfte sich in dem Bemühen, keine seiner Frauen auf längere Sicht zu ignorieren, weshalb ihn auch der Gedanke erschreckte, nur eine einzige zusätzliche Konkubine aufnehmen zu müssen.
Dennoch war es eine Schande, denn ein neues Mädchen hätte Jamil gerade jetzt von seinen Problemen ablenken und seine Aggressionen dämpfen können, die sich zu schlimmen Zornausbrüchen entwickelten. Aber das konnte man Jamil nicht sagen.
Er hätte einen unbeschwerten Tag außerhalb des Palastes nötig gehabt, denn in diesen Mauern festgehalten zu sein, frustrierte ihn am meisten. Doch der Divan würde nie zustimmen. Es war einfach zu gefährlich, den Palast zu verlassen, denn darauf warteten die Meuchelmörder zweifellos. Allmählich wurde es Zeit, daß die vielen Botschaften, die ausgesendet worden waren, Früchte trugen.
12
Vier Tage später, am frühen Nachmittag, als der Großwesir immer noch Bewerber empfing, die eine Audienz beim Herrn des Palastes erbaten, wurde ihm ein Wüstenscheich gemeldet, der als Tribut zwei Vollblutpferde mitgebracht hatte. Omar war nicht beeindruckt und hätte den Scheich auf den nächsten Morgen vertrösten lassen, wenn dessen Diener nicht darauf bestanden hätte, daß der Großwesir persönlich die beiden Rassepferde begutachten müsse – sie stünden im äußeren Hof und würden von allen Seiten bewundert. Omar war verärgert, daß der Diener bis zu ihm vordringen konnte und die Palastwachen ihn nicht gleich abgewiesen hatten. Andererseits verstand er, daß seine Männer sich in einem Dilemma befunden hatten. Die meisten Wüstenstämme, die dem Herrscher, ihren Verträgen entsprechend, Tribut bezahlten, schickten nicht ihr Oberhaupt in die Stadt, um das zu erledigen. Daß dieser Scheich persönlich mit seinen Geschenken gekommen war, konnte nur bedeuten, daß er etwas vom Herrscher wollte.
Es gehörte zu Jamils Politik, die Wüstenstämme höflich zu behandeln, denn das garantierte den Frieden. Der Wüstenscheich wußte vielleicht gar nichts von der prekären Lage in Barka und davon, daß es momentan nicht angebracht war, bei Jamil persönlich vorzusprechen.
Ungeduldig eilte Omar in den angrenzenden Raum und trat an ein mit Gitterwerk verziertes Fenster, das den Blick auf den äußeren Hof freigab. Von hier aus konnte er die Pferde gut sehen, denn sie hielten Abstand von den Angestellten und Dienern des Palastes, die sich um sie versammelt hatten. Zwei junge Araber, offenbar Pferdepfleger, hatten Mühe, die temperamentvollen Tiere in Zaum zu halten.
Nun war Omar doch beeindruckt. Es handelte sich um herrliche, rein weiße Vollblüter, wie man sie in Barka noch nie erblickt hatte – obendrein noch um einen Hengst und eine Stute. Beim Barte des Propheten! Dieses Paar würde sich hervorragend zur Zucht eignen.
Omar befahl dem Diener, den Scheich hereinzubitten. War es möglich, daß dieser Mann den Wert eines solchen Geschenkes nicht kannte, eines Tributes, der des Sultans persönlich würdig gewesen wäre? Diese Vollblutpferde stammten auf keinen Fall aus der arabischen Wüste. Wo mochten sie wohl hergekommen sein?
Dann seufzte Omar tief, als ihm dämmerte, wie dieses Geschenk auf Jamil wirken würde, der ein vorzüglicher Reiter war, seinen täglichen Ausritt jedoch hatte aufgeben müssen, als die Probleme begannen. Er würde über das Vollblutpaar entzückt, ja hingerissen sein, bis ihm einfiele – wie eben Omar -, daß er es nicht reiten durfte, und zwar für eine längere Zeitspanne. Das würde seine gegenwärtige Stimmung noch stärker beeinträchtigen.
Verständlicherweise machte Omar ein finsteres Gesicht, als der große Wüstenhäuptling zu ihm geleitet wurde. Sein Name war als Ahmad Khalifeh angegeben worden, ein Name, an den Omar sich nicht erinnerte und den er auch bei einem raschen Blick
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