Sklavin des Herzens
Mußestunden verbrachte. Das verborgene Zimmer war klein und dunkel, schmucklos und extrem heiß am Nachmittag. Große Sitzkissen lagen auf dem Boden verteilt, doch Derek benützte sie selten.
Jeden Morgen wurde er zu einem ähnlichen versteckten Zimmer geleitet, von dem aus er den Thronraum überblicken konnte. Hier beobachtete er mehrere Stunden lang seinen Bruder, wie er die täglichen Geschäfte abwickelte, die den Palast, Streitigkeiten zwischen seinen Beamten, Gehorsam und Ordnung bei den Dienern und Schiedssprüche betrafen. Selbst Jamils Konkubinen konnten hier eventuelle Beschwerden vortragen.
Einen Morgen hatte Derek in einem anderen gleichen Raum, der oberhalb des Audienzzimmers lag, zugebracht, während Jamil fremde Würdenträger empfing und Angelegenheiten der Stadt besprach. Gewöhnlich geschah dies an vier oder fünf Tagen in der Woche, doch seit kurzem beschränkte sich Jamil hier auf einen Tag und behandelte nur die wichtigsten Themen – und jetzt war nicht die Zeit, diesen neueren Brauch zu ändern.
An den Nachmittagen litt Derek unter der Hitze in dieser winzigen Kammer, doch er mußte lernen, wie Jamil mit seinem persönlichen Gefolge umging, was ihn amüsierte und was ihn ärgerte. Auch an den frühen Abenden wurde der Schauplatz nicht gewechselt, und Jamil ersparte sich nichts, wie er auch nichts verbarg – im Gegenteil, er übertrieb seine Reaktionen eher, um Derek die spätere Nachahmung zu erleichtern. Omar, der fast immer an Dereks Seite blieb, gab flüsternd Erklärungen ab und betonte mehr als einmal, daß die Härte und gelegentliche Grausamkeit, die Jamil an den Tag legte, nicht seinem wahren Wesen entsprachen.
»Seine Geduld ist üblicherweise unbegrenzt, seine Freundlichkeit berühmt. Er kann mitleidlos sein, wenn die Sache es erfordert, aber ebenso barmherzig. Selbst wie Sie ihn jetzt sehen, ist er nicht der Tyrann, der Mahmud war. Was sich Ihnen momentan darbietet, ist das Ergebnis seiner selbstauferlegten Gefangenschaft. Er ist ein Mann, der sich im Freien wohl fühlt. Er konnte jeden Tag stundenlang reiten. Als er das aufgeben mußte, war es nur natürlich, daß er reizbar wurde. Die angespannte Situation dauert einfach schon zu lange. Seit Sie hier sind, hat er sich beruhigt, aber das dürfen nur Sie und ich wissen. Nicht einmal seine Frauen sollen merken, daß seine Frustrationen so gut wie verschwunden sind.«
Derek konnte das verstehen. Er vermutete, daß er unter den gleichen Umständen genauso reagieren würde. Nachdem ihm dieselbe Lage bevorstand, konnte er nur hoffen, daß sie schneller zu Ende ging, als Jamil sie zu ertragen hatte.
Um sich für diese Zeit vorzubereiten, war Derek Tag und Nacht Zeuge von Jamils Leben, sogar im Schlafzimmer.
Derek scheute zuerst davor zurück. Als Kinder waren er und Jamil in das verborgene Zimmer geschlichen, um ihren Vater mit seinen Konkubinen zu beobachten, doch das war ein Spaß gewesen, aufregend und gefährlich. Jetzt, als Mann, spielte er nicht gern den Voyeur. Doch Omar bestand darauf, daß er wissen müsse, wie Jamil sich seinen Frauen gegenüber benahm, da diese einen sehr aktiven Teil in seinem Leben darstellten.
Bisher hatte er Jamils Liebesakt mit drei seiner Favoritinnen und einer seiner Frauen zugesehen. Jedesmal verhielt sich Jamil anders, um Derek die Vielfalt seiner Natur zu zeigen – zärtlich, ungestüm, schroff, sogar gewalttätig. Die Gewalttätigkeit hatte Derek abgestoßen und verärgert, doch Omar hatte erklärt, daß diese bestimmte Frau sonst keinen Genuß empfinden könnte, und deshalb wurde sie gerufen, wenn Jamil seine Frustrationen abreagieren mußte. Das war der Grund, warum sie in der letzten Zeit zur Favoritin aufgestiegen war. Sie war zuerst ausgepeitscht worden, nicht von Jamil, sondern von einem seiner stummen Diener, und dann hatte Jamil sie brutal genommen. Zu Dereks weiterem Mißfallen hatte sie daran anscheinend Vergnügen gefunden.
In der Nacht, als Jamils erste Frau, Sheelah, zu ihrem Gebieter geholt wurde, schlug Omar als einzigesmal vor, Derek solle sich entfernen, ehe die beiden sich tatsächlich liebten. Es tat ihm fast leid zu gehen, denn Sheelah war eine seltene Schönheit mit sanften saphirblauen Augen und rotem Haar, das ihn an Caroline erinnerte. Und er bemerkte den Unterschied in der Art, wie Jamil diese Kadine Nummer eins behandelte. Es brauchte ihm niemand zu erklären, daß diese Frau seinem Bruder besonders viel bedeutete.
»Er liebt sie, nicht wahr?« fragte Derek, als
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