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Sklavin des Herzens

Sklavin des Herzens

Titel: Sklavin des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Vorstellung von etwas Besonderem hieß wahrscheinlich »entzückend mollig« und mit hellen Farben ausgestattet, was man hier so sehr schätzte. Alles andere wäre als gewöhnlich betrachtet worden.

16

    Chantelle hatte sich geirrt, doch das merkte sie erst, als sie sich hinknien mußte, um dem großen Türken, oder was er sonst war, die Ehre zu erweisen, und hörte, wie Haji Agha ihn »mein gnädiger Herr« nannte. Es war unfaßbar, daß der Mann, der sie so offenkundig für sich selbst gekauft hatte, sich nun vor seinem Herrn mit ihr brüstete. Oder mußte sie Angst haben, für diesen anderen Burschen gekauft worden zu sein, vor dem sie sich momentan zu verneigen hatte?
    Das ging ihr gegen den Strich, und beinahe hätte sie den Kniefall verweigert, wenn die Afrikanerin neben ihr nicht so brutal zu Boden gestoßen worden wäre. Wie unfair, daß Gewalt so leicht gewann! Was brachte ihr jede Art von Gegenwehr, wenn sie am Ende doch verlor und ihr Stolz noch mehr litt? Sie hatte kürzlich schon so viele Demütigungen erduldet, daß eine weitere ihr inkonsequent erschien.
    Dennoch wäre es nett gewesen, wenn man sie über die Vorgänge aufgeklärt hätte, anstatt sie ihren eigenen Schlüssen zu überlassen. Vor dem Haus des Sklavenhändlers hatte sie in eine von vier wartenden Sänften steigen müssen. Das brachte die erste Enttäuschung mit sich. Chantelle hatte gehofft, zu Fuß durch die Stadt gehen zu dürfen und dabei eine Gelegenheit zu finden, sich davonzustehlen. Aber in Gegenwart der Sänftenträger und berittenen Begleitpersonen mußte sie diese Hoffnung begraben.
    Sie versuchte den Vorhang in der Sänfte beiseite zu schieben, wurde aber sofort von einem Wächter angeschrien und gab es auf zu sehen, wohin der Weg sie führte. Offenbar ging es bergauf. Dann wurde der Pfad wieder eben, und ein Tor nach dem anderen öffnete und schloß sich, bis die Sänfte niedergesetzt wurde.
    Nach dem Aussteigen sah Chantelle die beiden anderen Mädchen und erhaschte einen Blick auf einen Hof und darunterliegende Gärten. Gleich darauf wurde sie in ein großes Gebäude geschoben und durch lange Gänge geführt, vorbei an zahllosen Wächtern und breiten Türen, bis sie in diesen riesigen Saal gelangte, in dem sich ein halbes Dutzend Leute befand. Sie sah die Menschen nur verschwommen, da sie den Kopf sofort senken mußte, während sie auf die Knie gezwungen wurde. Nicht einmal den »gnädigen Herrn« hatte sie anschauen können, doch sie hörte ihn lachen und etwas über seinen Großwesir sagen.
    Wer war er, daß er einen Minister mit so einem Titel hatte? Der Herrscher von Barka konnte er nicht sein, denn dieses hohe Tier hatte sich geweigert, sie, Chantelle, zu kaufen. Irgendein Pascha vielleicht? Oder ein höherer Beamter am Hof des Regenten? Würde man ihr das je verraten? Es streute Salz in die Wunden, daß diese arroganten Moslems Frauen so geringschätzten, daß sie ihnen nichts erklären mochten.
    Chantelle stockte der Atem, als sie plötzlich hochgerissen wurde und gerade noch die herrische Handbewegung des Paschas sah, sie sollten aufstehen. Was für eine Unverschämtheit, sich ohne ein höfliches Wort an die Damen zu wenden!
    Ihr Zorn kochte, während ihr Blick von der juwelengeschmückten Hand des »gnädigen Herrn« zu seinem Gesicht wanderte – und so schnell, wie ihre Wut entstanden war, verschwand sie auch. Lieber Gott, Chantelles schlimmste Befürchtungen wurden Wirklichkeit. Er sah wie ein Europäer aus. Schlimmer noch: mit diesen hohen Augenbrauen, den ausgeprägten Wangenknochen, dem aggressiven Kinn und der scharfen Nase wirkte er wie ein verdammter englischer Aristokrat. Das einzig Türkische an ihm war sein Gewand – weite Hosen, eine langärmelige rotweiß gestreifte Seidenbluse, die bis zu seinen Hüften fiel und in der Taille von einer Schärpe mit einer großen goldenen Spange eng zusammengehalten wurde. Die Schärpe war breit und weiß wie der Turban, in dessen Mitte ein enormer Rubin prangte. Die schmalen Brauen deuteten auf schwarzes Haar hin, doch nichts davon war sichtbar, nicht einmal ein Bart. Dabei hatte Chantelle bei allen Moslems einen langen wallenden Bart erwartet – zumindest einen herabhängenden Schnurrbart. Dieser Mann zeigte den straffen Hals unbedeckt, ebenso wie die vollen sinnlichen Lippen. Seine Augen waren grün, dunkelgrün, und von dichten Wimpern umrahmt. Er war weder klein noch fett, sondern genau das Gegenteil, wie sie feststellte, als er sich geschmeidig erhob und von

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