Sklavin des Herzens
vertreiben.
Nur mehr zwei Tage! Gott, sie wäre lieber hiergeblieben, selbst wenn sie diesem Gefängnis niemals würde entfliehen können. Wenigstens wurde sie gut behandelt und wußte, was sie von jedem Tag zu erwarten hatte. Nach ihrer Ankunft hatte sie gleich das Grauen gepackt, als sie von Hamid Sharif einer persönlichen Kontrolle unterzogen worden war. Er hatte sich überzeugen wollen, ob sich an ihrem jungfräulichen Zustand nichts geändert hatte.
Seitdem hatte sie keiner mehr berührt. Die Eunuchen, die sich um die Frauen kümmerten, waren nicht grob, wenn man ihnen gehorchte, und Chantelle hatte nicht die Nerven, sich mit diesen großen, furchterregenden Männern anzulegen. Sie ließen sich sogar herab, ihr jede Frage zu beantworten.
Chantelle konnte täglich baden. Das Essen war gut, wenn sie auch ihren Appetit verloren hatte. Ja, sie würde entschieden lieber hierbleiben.
An diesem Abend brütete sie über ihrem Essen, während Jeanne fröhlich plauderte und sich in Lobeshymnen über das exzellente Mahl erging. Riesige Teller standen auf kleinen Hockern, die als niedrige Tische dienten und um die sich die Frauen versammeln konnten. Die einzige Ausnahme bildete ein schwarzes Mädchen, das gestern angekommen und an die Mauer gekettet war. Nicht einmal zum Essen wurde sie befreit. Ein Eunuche versuchte sie zu füttern. Chantelle hatte sie noch nichts zu sich nehmen gesehen. Entweder spuckte sie die Bissen aus, oder sie weigerte sich, den Mund zu öffnen.
»Was hat sie für eine Geschichte?« fragte Jeanne in die Tafelrunde hinein und beobachtete die Afrikanerin, wie sie den Eunuchen zum Zorn reizte.
Niemand antwortete, ob die Frauen nun Jeannes Französisch verstanden oder nicht. Auch Chantelle hätte geschwiegen, doch nun blickte die Französin sie direkt an.
»Sie ist eine Prinzessin aus einem Stamm weit südlich von hier.
Sie sträubt sich gegen die Sklaverei – das sagten jedenfalls die Wächter, deren Gespräch ich zufällig hörte.«
Jeanne schnaubte verächtlich. »Sie wird sich schließlich anpassen – wie wir alle.«
Chantelle hatte diese Reaktion von Jeanne erwartet, deshalb war sie nicht erpicht darauf gewesen, über die junge Schwarze zu reden. Sie wußte genau, wie sich das Mädchen fühlte. Auch sie, Chantelle, konnte die Sklaverei nicht akzeptieren. Nur im Moment war sie zu eingeschüchtert, um sich entsprechend zu äußern. Das war die Folge von Hakeems Warnungen – ihren Ärger und Widerwillen im Griff zu behalten. Sie verspürte keine Lust, wie die Schwarze angekettet zu werden, was ihr sicher geblüht hätte, wenn sie während der zweiten intimen Examination ihres Körpers aufsässig geworden wäre.
Sie wechselte das Thema und regte Jeanne an, ein paar amüsante Geschichten über ihr Leben im Harem zu erzählen, während sie die Mahlzeit beendeten. Es verblüffte Chantelle immer wieder, welche Haltung die Französin einnahm. Sie war nicht viel älter als Chantelle, vielleicht fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig, und dennoch hatten sie ganz entgegengesetzte Ansichten. Waren die neun Jahre, die Jeanette ihren Berichten nach bei den Moslems verbracht hatte, schuld daran, oder sah sie wirklich nichts Negatives in einem Sklavinnendasein?
Bald nachdem das Geschirr abgeräumt war, kamen Besucher.
»Was bedeutet das?« fragte Jeanne und richtete sich gerade auf, als Hamid Sharif persönlich den Raum betrat.
Dem Sklavenhändler folgte ein großer, schlanker Mann, dessen Gesichtsfarbe an starken Kaffee erinnerte. Er war so dunkel wie die Eunuchen aus dem Sudan, die die Frauen bewachten, aber viel älter. Chantelle hielt ihn jedoch nicht für einen Eunuchen oder Sklaven, denn er trug eine prächtige, mit Pelz besetzte Robe aus blauer Seide, die vor Saphiren glitzerte. Schnüre aus den gleichen Edelsteinen hingen von seinem hohen Turban herab.
Chantelle seufzte und zog den kleinen Schleier, der an ihrem einfachen Kopfputz befestigt war, über die untere Hälfte ihres Gesichts. »Das ist schon öfters vorgekommen«, sagte sie. »Sharif bringt Käufer herein, die nicht auf die Auktion warten wollen oder sie versäumt haben. Letztes Mal war es ein Mann, dessen Köchin gerade gestorben war, und er hoffte, sofort einen Ersatz zu finden.«
Sie fügte nicht hinzu, daß diese Käufer nach ihrem Gutdünken die Frauen berühren und prüfen durften, ihnen den Mund öffneten, um die Zähne zu sehen, oder auch die kleinen Hemdchen, die alle Frauen zum Anziehen bekommen hatten. Auch Chantelle
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