Sklavin des Herzens
dem Podest, auf dem er gesessen hatte, herunterkam.
Er machte erneut eine Handbewegung, und mit einemmal wurden ihre dichten Schleier und der Mantel entfernt. Dasselbe geschah mit den beiden anderen Mädchen. Vor den vielen Leuten fühlte sie sich befangen. Neben Haji Agha und den drei Eunuchenwächtern, die hinter jeder Sklavin standen, waren noch drei andere Männer anwesend, und eine alte Frau kniete neben dem Podest. Zwei afrikanische Riesen, die nur Hosen und kurze Hemden trugen und von deren Hüften häßliche Dolche baumelten, bewegten sich mit jedem Schritt ihres Herrn und blieben rechts und links dicht an dessen Seite.
Chantelle kreuzte nervös die Arme über der Brust. Die weiße Baumwolle ihrer Hose war dick und weit genug, um zu verhüllen, aber die Pantalons saßen ungebührlich tief auf den Hüften, so daß zwischen ihrem oberen und dem unteren Rand der kurzen, mit Fransen besetzten Weste ein breites Stück Haut zu sehen war. Chantelle begann sich erst zu entspannen, als sie merkte, daß keiner zu ihr hinschaute. Die Aufmerksamkeit aller war auf die Afrikanerin gerichtet, vor die der »gnädige Herr« hingetreten war.
Haji Agha kam näher, um seinen Meister zu informieren: »Sie behauptet, eine Prinzessin aus dem Dschungel des tiefen Südens zu sein, doch sie weigert sich, den Namen ihres Stammes zu nennen. Als einzige von den dreien ist sie keine Jungfrau, und sie wehrt sich immer noch gegen die Gefangenschaft. Hamid Sharif mußte sie anketten.«
Jamils Blick glitt langsam über das Mädchen, ohne Gefühle zu verraten, obwohl der Herrscher die Schwarze prachtvoll fand. Sie war fast einen Meter fünfundachtzig groß, besaß dicke, nach oben gerichtete Brüste, eine starke muskulöse Taille und – seiner Vorstellung nach – kräftige Beine, die daran gewöhnt waren, durch den Busch zu rennen. Ihre Augen waren von einem hellen Braun und funkelten vor Haß.
»Ich vertraue darauf, daß du sie zähmen kannst.«
»Gewiß«, versicherte Haji Agha.
Jamil nickte und wandte sich der silberhaarigen Blondine zu. »Ich vermute, das ist die Engländerin?«
»Ja. Sie hat sich als gefügig erwiesen, aber sie ist auch sehr intelligent, wahrscheinlich stammt sie aus englischem Adel. Sie hat die Sprache schon gut genug gelernt, um das meiste zu verstehen, was wir sagen.«
Der Pascha hob die Augenbrauen. »So schnell? Wo wurde sie gefangengenommen?«
»An der englischen Küste, mein Lord. Einer von Hamid Sharifs Seeräubern wurde vor einigen Monaten angeheuert, einen Passagier dorthin zu bringen. Die Piraten hatten nicht vor, in diesen Gewässern anzugreifen, doch das Mädchen fiel ihnen anscheinend in der kurzen Zeit in die Hände, als der Passagier an Land ging.«
Jamil sah seinen schwarzen Chefeunuchen scharf an und lachte plötzlich auf. »Bei Allah, welche Ironie!«
Es stand Haji Agha nicht zu, seinen Herrn zu fragen, was er so komisch fand. »Hamid Sharif hatte sie in weiter Entfernung angepriesen«, fuhr er fort. »Deshalb war sie noch zu haben. In zwei Tagen hätte sie privat verkauft werden sollen, also zögerte er natürlich, sie herzugeben.«
»Sie kam uns teuer, oder?«
»Extrem!«
Jamil seufzte. Neben der Afrikanerin erschien sie nicht groß, obwohl sie größer war als die meisten Frauen in seinem Harem. Und sie wirkte so knochig, als sei sie am Verhungern. Ihre Brüste füllten die Weste nicht aus, ihr Magen wölbte sich nach innen, die Hüften stachen spitz hervor. Als sei das nicht schon schlimm genug, besaß sie auch noch blondes Haar, und er persönlich schwärmte nicht dafür, weil seine Mutter eine Blondine war. Allerdings hätte man das Haar der Engländerin beinahe für weiß halten können, so hell war es. Natürlich erkannte er, warum man diese Frau als etwas Besonderes ansah. Ihre Gesichtszüge waren so außergewöhnlich fein, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Nicht einmal die dunklen Ringe unter den Augen konnten diese atemberaubende Schönheit beeinträchtigen.
Dennoch fühlte er sich von ihr nicht angezogen. Aber er hatte sie ja auch nicht für sich gekauft. Ob er sie behielt oder dem Sklavenhändler für die private Auktion zurückgab, hing nun von Kasim ab.
»Und die dritte? Heute abend hat Hamid Sharif wohl ein Vermögen an mir verdient?«
Haji Agha wagte nicht zu grinsen, obwohl er ahnte, daß Jamil sich nicht über die Auslagen ärgerte, die er leicht aufbringen konnte. »Nein, mein Lord. Einer Ihrer eigenen Kapitäne brachte sie Anfang der Woche mit, demnach brauchen
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