Sklavin des Herzens
ist, Haar, dann wird es Sie auch nicht überraschen, daß ich tatsächlich Jamil Reshid bin, der Herrscher über diese ›ganze verdammte Stadt‹.«
Es war eine Überraschung, aber nur aus einem Grund. »Sie weigerten sich, mich nach meiner Ankunft zu kaufen. Warum bin ich dann hier?«
Einen Moment lang schwieg er. Es war gar nicht so einfach, ihre Aussprache zu verstehen, obwohl er zugeben mußte, daß die junge Frau das Arabische weit besser gelernt hatte, als man es hätte erwarten können. Aber sein Zögern rührte von der Art her, wie ihre Augen und ihr Mund sich besänftigt hatten. In Chantelles vorübergehender Verwirrung waren ihre Angst und Ablehnung verschwunden.
Er überraschte sie zusätzlich, indem er ihr in perfektem Französisch antwortete, von dem er annahm, daß es ihr, als Angehöriger einer Adelsfamilie, angenehm vertraut war. »Es ist mein Privileg, meine Meinung zu ändern.«
»Würden Sie dann Ihre Meinung auch über das arme ausgepeitschte Mädchen ändern?«
»Interessant, daß Sie mich statt dessen nicht noch einmal darum bitten, in bezug auf Sie meine Meinung zu ändern.«
»Darauf wäre ich schon noch zurückgekommen.«
Er lachte beinahe. Es war erfrischend, mit solcher Kühnheit von einer Frau angeredet zu werden. Seine Frauen disputierten nicht mit ihm, ganz gleich, wie gern sie es vielleicht getan hätten. Mochte er sie noch so sehr verwöhnen und verhätscheln, sie vergaßen doch nie seine Macht und seine totale Kontrolle über ihr Leben.
»Wenn ich Ihnen einen Wunsch gewähre, Engländerin, um was werden Sie mich bitten?«
Ihre Augen weiteten sich. Meinte er das ernst, oder war es nur eine rhetorische Frage? Jedenfalls hatte sie keine Wahl, keine, die ihr Gewissen zugelassen hätte. Das Schicksal der Afrikanerin war bereits besiegelt, ihr eigenes noch nicht. Und wenn er der Regent war, mußte er hier den größten Harem von Barka unterhalten. Er mochte sie zwar gekauft haben, aber immerhin bestand die Möglichkeit, daß er sie vergaß, wenn sie in der Menge seiner Sklavinnen untertauchte. Nein, ihr Schicksal war nicht besiegelt – noch nicht.
»Die Afrikanerin«, sagte sie.
»Sie möchten, daß ich sie behalte, anstatt sie zurückzuschicken?«
»Nein. Machen Sie die weitere Bestrafung, die Sie befohlen haben, rückgängig.«
Er drehte sich um und tat es. Chantelle beobachtete verblüfft, wie der Befehl an die Wärter draußen vor der Tür weitergegeben wurde. Dann sah sie Jamil wieder an. Sie wußte nicht, was sie von dieser Versöhnungsgeste halten sollte.
»Wo ist Ihre Dankbarkeit Engländerin?«
Nun wußte sie Bescheid, und die Erkenntnis war nicht erfreulich. »Danke«, sagte sie, doch ihr Ton war schneidend.
»Was? Habe ich mich in Ihren Augen nicht rehabilitiert?«
»Die Unbotmäßigkeit der schwarzen Prinzessin war zu geringfügig, um Schläge zu rechtfertigen«, erwiderte sie.
»Das glauben Sie«, stellte er fest. »Aber sie hat meine Person beleidigt, und das ist nicht erlaubt. Möchten Sie erfahren, was nicht erlaubt ist?« Das war eine Warnung, und Chantelle verengte die Augen. »Ah, ich sehe, Sie erinnern sich, daß Sie mich nicht liebenswert finden. Doch Sie werden Ihre Meinung ändern, Haar, falls ich beschließe, Sie zu behalten. Sollen wir das jetzt entscheiden? Wollen Sie Ihre Weste öffnen, oder mache ich das?«
Ihr ganzer Körper erstarrte, und ihr Gesichtsausdruck zeigte wieder diese Mischung aus Furcht und ohnmächtiger Wut. War sie genügend eingeschüchtert, um seine Warnung zu beherzigen?
»Werden Sie mich auch bespucken?« fragte er, und nun klang seine Stimme schroff.
Sie würde es nicht tun. Sie hatte wissen wollen, was sie tun könnte, um zu Hamid Sharif zurückgeschickt zu werden, und nun wußte sie es, doch was vorher passieren würde, war zu unerträglich.
Sie schüttelte den Kopf und senkte die Augen. Und nach ihrem vorangegangenen Groll wunderte er sich, sie flehen zu hören: »Bitte, müssen Sie das vor so vielen Leuten machen?«
»Es sind nur Sklaven, Engländerin, genau wie Sie«, erklärte er. Doch seine Handlung war ungewöhnlich und fand nur zugunsten von Kasim statt. »Also gut«, lenkte er ein. »Wenn Sie hier herüberkommen wollen, schaue nur ich Sie an.«
Er winkte seinen Leibwächter zurück und trat zur Seite des Raumes. Chantelle hielt es für das beste, ihm zu folgen, obwohl sich alles in ihr sträubte. Nun stand sie zwar mit dem Rücken zum Publikum, doch die Leute waren noch anwesend, und sie empfand Empörung
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