Sklavin des Herzens
alte Mann lächelte, während er hinter ihr hereilte. »Sie werden sehr gut damit fertig, Rahine.«
Sie ignorierte die Bemerkung. »Haben Sie wenigstens versucht, ihm zu erklären, daß sie noch nicht bereit ist?«
»Selbstverständlich.«
Und dennoch will er sie auf der Stelle haben, überlegte Rahine. »Aber warum die Eile? Das Vorbereitungsritual, das für die Selbstachtung so wichtig ist, wird Haar nun versagt. Doch die Auserwählte zu sein ist eine Ehre …«
»Glauben Sie wirklich, daß sie das so sieht?«
Rahine blieb plötzlich stehen und wurde blaß. »Allah möge uns helfen, was geschieht, wenn sie sich gegen ihn sträubt?«
»Diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen.«
»Ich hätte selbst mit ihr reden, sie warnen müssen, was passieren kann, wenn sie ihn verärgert.«
Omar begann weiterzugehen. »Er ruft sie, ehe sie bereit ist, Rahine. Das muß er berücksichtigen und Geduld mit ihr haben.«
Sie hielt Schritt neben ihm. »Aber wird er das tun? Sie wissen, wie reizbar er in der letzten Zeit ist …«
»Ja, und deshalb haben wir keine Zeit für solche Überlegungen. Wir haben nur Zeit, das Mädchen ordentlich anziehen zu lassen.«
Nach Rückfrage, wo sich Haar aufhielt, wurden sie zum Hammam geführt. Rahine erinnerte sich nun, daß man der jungen Frau die Schamhaare nicht entfernt hatte. Sie beschloß, diese erschreckende Tatsache Haji gegenüber nicht zu erwähnen, weil nun nichts mehr daran zu ändern war. Wie Jamil darauf reagieren würde, war nicht vorauszuahnen, doch auch hier mußte er akzeptieren, was er bekam, wenn er die notwendige Vorbereitungszeit nicht gestattete.
Rahine seufzte. Sie konnte Jamil nicht einmal böse sein, daß er wegen seiner beispiellosen Ungeduld die Tradition brach. Er stand unter Streß. Er war nicht mehr er selbst, schon seit Monaten nicht. Wenn es Haar gelang, ihn für eine Weile von seinen Problemen abzulenken, würde Rahine dankbar sein. Sie befürchtete nur, daß dieses Mädchen seine Frustration eher vermehren als mildern würde.
Sie fanden Haar im Hauptraum des Hammam auf einer Bank ausgestreckt. Ihr Kopf ruhte auf ihren gekreuzten Armen, die Augen waren geschlossen. Das Mädchen, das ihr zugeteilt worden war, kniete neben ihr und strich sanft mit einer Bürste über die Fülle ihres platinblonden Haares, das über ihrem Rücken und ihren Hüften ausgebreitet lag. Wenn Jamil sie so hätte sehen können, hätte er keinen Tadel an ihr zu finden vermocht, denn ihre Magerkeit war unter einem Kaftan verborgen, der sie völlig verhüllte. Sie bot ein sinnliches Bild – mit dem verträumten Lächeln, das in der entspannten Lage ihre Lippen umspielte.
Ein leichtes Make-up war bereits auf ihr Gesicht aufgetragen worden, nur ein Hauch, wie Rahine bemerkte, der ihr zu ihrer Blondheit gut stand. Jamils Mutter nahm sich vor, Shahars Dienerin dafür zu belohnen, daß sie ihre Herrin so perfekt hergerichtet hatte, obwohl die Schulungszeit noch nicht beendet war – ein Zustand, der sich nun mit einem Schlag änderte. Rahine konnte den bevorstehenden Kampf deutlich voraussehen.
Chantelle öffnete die Augen, als sie die unterdrückten Überraschungsrufe rund um sich und die an Rahine und den schwarzen Chefeunuchen gerichteten Grußworte hörte. Dann stöhnte sie, denn das Paar kam direkt auf sie zu. Was mag wohl los sein? dachte sie irritiert. Hatte sich Vashti über ihr mürrisches Wesen beschwert? Daraus konnte man ihr, Chantelle, bestimmt keinen Vorwurf machen, denn dieses eingebildete kleine Biest verursachte ihr jedesmal Magenschmerzen, wenn es für den »Unterricht in der Liebeskunst« auftauchte.
Als sie sich aufrichtete, blickte sie schnell zu Vashti hinüber, die sich mit nacktem Oberkörper in herausfordernder Pose räkelte. Ihre großen melonenförmigen Brüste mit den hennagefärbten Spitzen sahen grotesk aus. Viele Frauen färbten sich nicht nur die Brustwarzen, sondern auch Hände und Füße. Eine Dame hatte die rote Farbe sogar auf ihre haarlose Scheidenregion geschmiert, ein Anblick, bei dem sich Chantelle das Lachen nur mühsam verbeißen konnte, so komisch sah das aus.
Die Nacktheit war in den Bädern nicht ungewöhnlich, aber die Hälfte der Frauen war teilweise bekleidet. Im Moment befanden sich ungefähr zwanzig Konkubinen in dem Raum. Heute fühlte sich Chantelle von ihnen gar nicht mehr so belästigt, deshalb glaubte sie, daß sie sich an die weibliche Gesellschaft rasch gewöhnen würde. Allerdings lehnte sie es ab, in einem
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