Sklavin des Herzens
legte.
Es schauderte Chantelle, nicht so sehr von der Kälte, sondern von der Wärme seiner Finger, die über ihre Haut glitten.
Gleich darauf beugte er sich vor, um den Verschluß zu befestigen, und sie spürte, wie sein Körper sie umfing, seine Arme, seine Brust, seine Knie, die sich gegen ihre Hüften preßten.
Die Kälte, die Hitze, der Kontakt ihrer Wange mit seiner Brust – das alles ließ sie ihren Ärger vergessen. Es war, als sei sie in einen warmen, sicheren Kokon eingehüllt. Sicher? Ja, irgendwie fühlte sie sich im Augenblick sicher. Er hatte gesagt, sie könne gehen, also hatte sie von dieser Umarmung nichts zu fürchten – außer ihrer eigenen Reaktion. Gott, wie gut fühlte es sich an, so umschlungen zu werden.
Das Bedauern, das sie empfand, als er seine Hände von ihrem Hals nahm, war real. Sie sah ihn verwirrt an, und er lächelte ihr zu.
»War das so schlimm?«
Sie verweigerte ihm eine Antwort, und ihr Stolz ließ sie die soeben erweckten Gefühle unterdrücken. »Kann ich jetzt gehen?«
»Ja.« Aber seine Hand an ihrer Schulter hinderte sie am Aufstehen. »Sobald ich dein Wort habe, daß du heute abend zu mir kommen wirst, wenn ich dich rufe.«
»Aber …«
»Dein Wort, Haar, oder du gehst jetzt nicht.«
»Nichts hat sich geändert«, erklärte sie einfach.
»Das habe ich auch nicht geglaubt, doch du wirst trotzdem kommen, und wir werden sehen, was geschieht. Dein Wort?«
Unentschlossen biß sie sich auf die Lippen, dann nickte sie. Daraufhin streichelte er zärtlich ihre Wange. »Spar dir deine Kämpfe für mich auf, kleiner Mond. Falls du es nicht bemerkt hast – ich habe die Herausforderung angenommen.«
Als sie aus dem Raum eilte, verspürte sie einen gewissen Grad von Bedrohung, aber auch noch etwas anderes. Sie war nicht bereit, vor sich selbst zuzugeben, daß es Vorfreude sein könnte.
29
Chantelle konnte nicht viel Interesse für ihre neue »Gefängniszelle« aufbringen. Sie hatte nun zwei Räume anstatt einem zur Verfügung, und beide waren dreimal größer als ihre vorherige Kammer. Sehr hübsch, mit gekachelten Wänden und Marmorboden im Vorzimmer, wo große Kissen den niedrigen Tisch umgaben. Sogar ein kleiner Springbrunnen plätscherte in der Mitte, und vergitterte Fenster wiesen auf einen großen Hof aus rosa Marmorsteinen.
Im Schlafzimmer standen ein überdachtes rosa Bett anstatt einer Pritsche und eine große Truhe, die mit einem Dutzend knapp geschnittener Kleidungsstücke gefüllt war, die Chantelle wie Unterwäsche vorkamen. Hinter einer lackierten spanischen Wand gab es Borde für ihre Kosmetika, Öle und Parfüms. Ein prächtiger türkischer Teppich in Karmesinrot und Gold bedeckte fast den ganzen Boden. Auch hier fand sich ein Fenster, das diesmal auf den ummauerten Garten der Favoritinnen wies, in dem ein größerer Springbrunnen zwischen Beeten mit Nelken, Tulpen und dunkelroten Lilien glitzernde Kaskaden in die Höhe warf. Ein Jasminstrauch direkt unter dem Fenster ließ seinen süßen Duft mit der Brise in den Raum strömen.
Chantelle war von Jamils Appartement direkt hierher gebracht worden. In der Halle hatte Kadar wieder auf sie gewartet. Sie war zu verschämt gewesen, um dem riesigen Eunuchen in das zerkratzte Gesicht, für das sie verantwortlich war, zu sehen. Und sie hatte nicht gemerkt, wohin er sie führte, bis sie im Eingang ihrer neuen Behausung stand. Adamma strahlte sie an, und auch Haji Agha war da, demnach sah Chantelle nichts Besonderes in der Tatsache, einen neuen Teil des Harems vor sich zu haben.
Kadar klärte sie auf. »Das gehört jetzt Ihnen, Lalla, genauso wie ich.«
Chantelle drehte sich um und blickte ihn an, wie er vom einen Ohr zum anderen grinste. Aus ihrem Gesicht konnte man verschiedene Gefühle ablesen: das der Schuld wegen Kadars Schrammen, Ärger, daß der Sklave so leicht abgegeben wurde, Argwohn, was den Grund hierfür betraf, und schließlich Amüsement, denn sein Grinsen war so ansteckend, daß sie es erwidern mußte – allerdings nur für einen Moment. Auch galt ihr kurzes Lächeln nur ihm allein.
Haji Agha bekam ihren Argwohn zu spüren. »Ist das wahr? Gehört er jetzt mir?«
Der ältere Eunuche nickte zögernd, bestürzt über ihren schroffen Ton. In einer Gesellschaft, die vor jeder Diskussion, mochte sie noch so ernst sein, Höflichkeiten austauschte, war er nicht an solche Direktheit gewöhnt. Und er war auch noch nie von einer Konkubine unfreundlich angeredet worden, wenn er sie über ihren Aufstieg
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