Sklavin des Herzens
wenig Argwohn ausdrücken, aber die anderen schienen Chantelle in ihrer kleinen Gruppe herzlich willkommen zu heißen.
Sie wußte nicht, wie sie das beurteilen sollte. Die Frauen liebten Jamil und waren selbstlos bereit, ihn mit anderen zu teilen. Was sollte man zu solchen Wesen sagen? Keines von ihnen hätte sich in Chantelle einfühlen können.
Sie wurde durch Hajis Bemerkung, es sei schon spät, aus ihrem Dilemma befreit und dann zur »Vollbehandlung« weggebracht. Sie wußte nicht, ob sie am vorangegangenen Abend die gleiche Prozedur durchgemacht hatte, aber jedenfalls wurde sie nicht nur gebadet, rasiert und schamponiert, sondern auch noch massiert, eingeölt und parfümiert. Außerdem wurden ihre Zähne poliert, ihr Zahnfleisch inspiziert, ihre Nägel gefärbt und ihr Atem gesüßt. Sie hätten ihr Haar und ihr Gesicht auch noch in Angriff genommen, wenn sie nicht Einhalt geboten und Adamma für diese Aufgabe herangezogen hätte.
Haji mußte sich ihren Wünschen fügen, da sie sich so willig zeigte. Chantelle ahnte, daß er Schwierigkeiten von ihr erwartete und vielleicht schon Gegenmaßnahmen ergriffen hatte, aber er wußte ja nicht, daß sie ihr Wort gegeben hatte. Und sie beabsichtigte nicht, ihm das zu sagen und ihn somit von einer Sorge zu befreien.
Als sie in ihr Appartement zurückkehrte, wartete dort die Garderobenmeisterin mit einer neuen Kreation rose-und schimmernd silbergestreifter »Unterwäsche« auf sie. Diesmal protestierte Chantelle, denn sie hatte schon ein weniger enthüllendes Gewand aus ihrer Truhe ausgesucht. Daraufhin wurde sie mit hochmütiger Miene darüber aufgeklärt, daß ihre Kleider für einen Besuch beim Herrscher zu gewöhnlich waren und nur im Harem getragen werden konnten. Eine Diskussion lohnte sich nicht, zumal Chantelle den Kaftan, den sie sich zur Komplettierung ihres Aufzugs wünschte, zögernd zugestanden bekam. Sie konnte nur seufzen, als er gebracht wurde, denn er entpuppte sich als so durchsichtig, daß man ihn kaum bemerkte.
Die Farbe des Gewandes paßte perfekt zu den Amethysten, wie Adamma feststellte, und Chantelle fragte sich, ob inzwischen nicht alle von ihrer Morgengabe wußten. Sie hatte vorgehabt, Jamils Juwelen nicht zu tragen. Jetzt wünschte sie, der Dieb, der angeblich im Harem Kostbarkeiten stahl, hätte ihr einen Besuch abgestattet. Aber da dies nicht der Fall war und sie versprochen hatte, keine Szene zu machen, ließ sie sich den Schmuck von Adamma um den Hals legen.
Sie war beinahe fertig zu gehen, als Rahine auftauchte. Chantelle wunderte sich, daß Jamils Mutter ihr unter die Augen zu treten wagte, nachdem sie gegen den Wunsch ihres Sohnes über sie, Chantelle, die Küchenstrafe verhängt hatte.
»Wenn Sie sich über nichts freuen, Haar – sind Sie nicht wenigstens glücklich über die solide Tür, die Sie absperren können?«
»Sie haben recht, Madame«, gab Chantelle zu. »Die Tür ist das einzige, was mir hier gefällt.« Adamma war noch mit ihrem Haar beschäftigt, aber Chantelle schickte sie hinaus und fragte Rahine dann: »Wußten Sie, daß Jamil mich nicht bestrafen wollte?«
Kein Muskel zuckte in Rahines Porzellangesicht. »Zuerst wußte ich es nicht, aber jetzt weiß ich es. Warum haben Sie ihm nichts erzählt?«
Chantelle nahm den Handspiegel auf, um dem Blick der grünen Augen zu entgehen. »Wie kommen Sie darauf, daß ich nichts erzählt habe?« fragte sie lässig.
»Weil wir andernfalls seinen Zorn zu spüren bekommen hätten. Sie sagen ihm doch nichts, nicht wahr?«
Die Frage klang so vertrauensvoll, daß Chantelle nur ehrlich antworten konnte. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich wäre ebensogern in der Küche geblieben, wenn Sie es schon wissen müssen. Es ist ja nichts Schlimmes passiert.«
»In der Küche geblieben? Hassen Sie ihn denn so sehr?«
Der ungläubige Ton reizte Chantelles Zorn. »Ich möchte nicht seine nächste Hure sein.«
»Meine Liebe, das wären Sie nie«, erklärte Rahine sanft. »Keine Konkubine kann eine Hure sein, nachdem sie nur die Aufmerksamkeit eines einzigen Mannes kennt. Aber Sie müssen wissen, daß Jamil Sie bereits hochschätzt. Ihretwegen bricht er die Regeln. Er scheint in jeder Hinsicht von Ihnen besessen zu sein. Können Sie wirklich kein zärtliches Gefühl für ihn aufbringen?«
»Warum strengen Sie sich für ihn so an?« rief Chantelle.
»Weil ich für sein Glück lebe. Was sonst könnte mein Dasein erfüllen?«
O Gott, wie salbungsvoll! Chantelle vermochte der Frau nicht mehr
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