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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte sie und wog ihre Schultertasche in der Hand. »Kein Aufzug.«
    »Ja? Warum das denn?«
    »Zeitgenössischer Charme. Kommen Sie?«
    Sie nahmen mühsam die Stufen. Beim Aufstieg sprangen die LCLS-Lampen auf jeder Etage blinkend an und erstarben dann wieder in ihrem Kielwasser. Der helle weiße Schein glänzte auf prä-sezessionalen Graffitimauern und darin eingebetteten Holos des Gebäudes in verschiedenen Stadien des Wachstums. Sevgi ertappte sich dabei, sie zum ersten Mal seit Monaten wieder wahrzunehmen, als erleuchte das Bewusstsein, einen Mann hinter sich zu haben, alles für sie ähnlich wie die LCLS. Sie verbiss sich den Impuls, die Fremdenführerin zu spielen.
    In der Wohnung ging sie von Zimmer zu Zimmer und zeigte ihm, wo alles war. Anschließend verschwand er im Bad. Sie überprüfte währenddessen die Fenster, verriegelte sie und richtete sich selbst ein. Holte Laken und eine Decke aus dem Schrank im Nebenzimmer. Sie erhaschte einen Blick auf sich selbst im Spiegel, während sie das Betttuch aufzog, und erkannte den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht wieder. In ihr stieg eine warme, irritierende Verwirrung auf, als wüsste sie nicht, wie sie das tun sollte. Wieder zurück im Wohnzimmer schaltete sie den Futon ein und entrollte ihn mit der Fernbedienung. Sie zog gerade das Laken auf, als er aus dem Bad kam.
    »Für Sie«, sagte sie und richtete sich auf.
    »Vielen Dank.«
    Sie standen da und sahen auf die frischen, sauberen Laken. Er schien auf etwas zu warten. Vielleicht in Erwiderung darauf schloss sich irgendwo in ihr ein Stromkreis. Sie steckte die Hände in die Jackentaschen und sah ihn fest an.
    »Die Tür ist doppelt verriegelt«, meinte sie. »DNS-codiert.«
    Er zog die Brauen zusammen. Stumme Frage.
    Ach, scheiß drauf. Gehen wir’s an. »Sie können es ebenso gut schon jetzt wissen, Marsalis. Früher oder später werden Sie es sowieso erfahren, also erzähle ich es Ihnen lieber gleich. Meine letzte Beziehung war ein Dreizehner. Er ist tot, aber ich weiß, wie dieser Scheiß funktioniert.« Sie tippte sich mit den Fingerspitzen an die Schläfe. »Ich weiß, wie Sie hier oben arbeiten. Gerade im Augenblick überlegen Sie sich vermutlich die kürzestmögliche Route quer durch die Stadt nach East Forty-Fifth und First.«
    Keine sichtbare Reaktion. Sie machte weiter.
    »Und Sie haben recht, so weit ist das nicht. Drei, vier Kilometer, dann über den Zaun, und Sie sind frei. UN-Territorium, mitten im Herzen von New York. Ich weiß nicht genau, wie die Sie hier anschließend rausbringen, aber meine Vermutung ist, dass diejenigen, die in der Union das Sagen haben, sich nicht groß beschweren werden. Die Beziehung zur UN funktioniert meistens besser als die zu COLIN. Um die Wahrheit zu sagen, sie mögen uns hier kaum lieber als in der Republik.«
    »Das muss für Sie sehr tragisch sein.«
    »Zu freundlich! Also, wie gesagt, ich weiß, was Ihnen im Kopf herumgeht. Ich nehme es Ihnen nicht mal sonderlich übel. Es ist nicht so, als könnten Sie hier nach Belieben schalten und walten. Sie sind in etwas verstrickt, an dem Sie wahrscheinlich lieber keinen Anteil hätten. Sie stehen unter Zwang, und ich weiß, wie übel das einem Dreizehner mitspielt. Sie suchen nach einem Weg, die Schlösser zu knacken oder gleich die Tür einzutreten.«
    Ethans Worte. Er grinste, wenn er sie gebrauchte, dieses beinahe brennende Grinsen.
    Sie wartete auf seine Reaktion. Wenn er denn reagierte.
    Er tat nichts. Stattdessen hob er eine Braue, sah auf die Rückseite der rechten Hand hinab. Sie erkannte das Verschiebungstraining wieder, und ein leiser Schauer durchlief sie.
    Er räusperte sich.
    »Nun, schön zu wissen, dass man mich so gut versteht. Aber, sehen Sie, Ms Ertekin, Ihre Vorbereitungen hier enthalten anscheinend einen größeren Fehler. Wenn ich der tobende, Zwänge zerreißende Dreizehner-Scheißkerl bin, den Sie…«
    »Ich habe nicht gesagt…«
    »… in mir sehen, was hindert mich dann daran, Ihnen gleich hier und jetzt den Schädel einzuschlagen, Sie aufzuschlitzen, um an etwas warmes Blut für Ihre kostbaren DNS-Schlösser zu kommen, und dann anschließend meinen frühmorgendlichen Spurt über die Stadt einzulegen?«
    »Das Schloss funktioniert nur mit Speichel.«
    Er starrte sie an. »Ich könnte ihn jederzeit aus Ihrem toten Mund kratzen.«
    »Meinen Sie, Sie jagen mir Angst ein, Marsalis?«
    »Das ist mir völlig egal, ob ich Ihnen Angst einjage oder nicht.« Zum ersten Mal, seitdem sie ihm begegnet war,

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