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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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und Weise, wie Sie es sind, und dieser Knabe Merrin wird da keine Ausnahme sein. Wenn Sie seine Taten anhand normaler menschlicher Maßstäbe beurteilen, werden Sie einen riesigen Fehler begehen. Unterdessen haben Sie mich angeheuert, um von dem Knaben ein Echo-Profil anzulegen. Wie wär’s also, wenn wir weitermachen und genau das tun und mit dem letzten lebendigen Ding anfangen, das ihn lebend gesehen hat? Sie werden mich mit dem N-Dschinn auf der Horkan’s Pride reden lassen, ja?«

 
20
     
     
    Der Nachthimmel lag ihm zu Füßen.
    Kein Nachthimmel, wie man ihn von der Erde oder vom Mars aus zu sehen bekam, oder von sonstwo so weit draußen im galaktischen Arm. Stattdessen war der schwarze Fußboden dicht übersät mit weißer Glut. Sterne übertrafen einander an Leuchtkraft oder durchsetzten vielfarbige marmorhafte Adern von Nebeln. Es hätte ein akkurat generierter Anblick von irgendeiner hypothetischen Welt im Herzen der Milchstraße sein können, es hätten einfach bloß eintausend verschiedene Anblicke des Nachthimmels sein können, die man übereinander gelegt und verstärkt hätte, bis sie strahlend hell erschienen. Er ging ein paar weitere Schritte, und Sterne wurden unter seinem Fuß zu weißem Pulver zerdrückt, das sich über die Tintenschwärze verteilte. Über seinem Kopf war der Himmel von einem klaustrophobischen Stahlgrau, besudelt von hässlichen Klecksen, die wie angenagelt in den breiten Spiralarmen waren.
    Verdammte Geister der Maschine!
    Niemand wusste, weshalb die Dschinns an Bord eines Schiffes ihre virtuelle Umgebung so gestalteten. Fragen über dieses Thema seitens menschlicher Interfaces wurden mit vagen Bemerkungen beantwortet, die linguistisch keinen Sinn ergaben. Hereingeflogen vom Es-Willen, kann nicht das Schwere, Da Bei, Durch Das, hanglos und reif lautete eine der berühmten Antworten. Carl hatte einen IF-Ingenieur auf dem Mars gekannt, der sie sich ausgedruckt und über seiner Koje als ein Koan angeheftet hatte. Die damit einhergehende Mathematik ergab offensichtlich noch weniger Sinn, obwohl der Knabe darauf beharrte, dass sie eine gewisse wahnsinnige Eleganz hatte, was auch immer das bedeuten sollte. Er plante, ein Buch darüber herauszugeben, eine Sammlung von N-Dschinn-Haikus, sehr klein auf sehr teurem Papier gedruckt, mit Illustrationen der virtuellen Formate auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten.
    Es war Carls Ansicht, zugegeben unbegründet und ohne jeglichen echten Beweis, dass die N-Dschinns ausgefeilte Witze auf Kosten der beschränkten Menschen machten. Vermutlich könnte das Buch, sollte es je in den Druck gehen, als eine geäußerte Pointe betrachtet werden.
    In seinen dunkleren Augenblicken überlegte er, was danach käme. Der Witz war vorüber, jetzt wurde es ernst.
    »Marsalis.«
    Die Stimme kam als Erstes, dann das ’face, fast, als hätte der N-Dschinn vergessen, dass es einen Konzentrationspunkt zu manifestieren hatte, den Menschen ansprechen konnten. Wie jemand, der nach einer Telefonnummer fragt und dann nach einem Stift umhertastet, um sie niederzuschreiben. Das ’face erschien nach und nach. Ein bläulicher, zu Konfetti zerschnipselter androgyner Leib, der dastand, als werde er beständig in einem Windkanal angeblasen. Langes, ungleichmäßiges, nach hinten fließendes Haar. Haut wie eine Million winziger flatternder Flügel, die sich auf den Knochen bewegten. Es war unmöglich, männliche oder weibliche Züge zu erkennen. Unter der Stimme lag ein winziges Rascheln, ein Knistern, wie entflammendes Papier.
    Es war ein wenig so, wie mit einem Engel zu sprechen. Carl verzog das Gesicht.
    »Hier bin ich. Hast du mich nachgeschlagen?«
    »Du zeigst dich im Fluss.« Das ’face hob einen Arm, und ein Vorhang aus Bildern rieselte daran herab auf den sternübersäten Boden. Er entdeckte Fotos von seiner Einführung nach Osprey, Medienberichte im Anschluss an die Rettung der Felipe Souza, andere Dinge, die merkwürdige Ecken seines Gedächtnisses in ihm erhellten und erneut vertraut machten. Irgendwie in dem Ganzen glaubte er, Marisols Gesicht zu erkennen, aber es war schwer zu sagen. Ein Gefühl der Abwehr durchlief ihn.
    »Habe nicht gewusst, dass man dich so bald wieder einklinken lassen würde.«
    Was gelogen war. Ertekin hatte ihm die Freigabe-Dokumente vom M.I.T. gezeigt – er kannte die Stunde, wann der N-Dschinn rekalibriert worden war und man ihm erlaubt hatte, in den Fluss zurückzukehren.
    Völlig unmenschlich hatte der Dschinn den erhobenen

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