Skorpion
bisschen über, nicht wahr?«, fragte Sevgi, als Norton sie erreicht hatte.
Er verzog das Gesicht. »Sag das mal Ortiz!«
»Ist er in Ordnung?«
»Im Vergleich wozu? Er ist nicht tot, wenn du das meinst. Sie haben ihn an die Hälfte der lebensrettenden Maschinen angeschlossen, die drüben im Weill Cornell verfügbar sind. Größere Organschäden, aber er wird irgendwo einen Vorrat kultiviert haben. Die Familie ist benachrichtigt worden.« Norton wirkte krank, als er sich zwischen den Leichen unter ihrer Folie umschaute. »Was, zum Teufel, hat er denn überhaupt hier getan, Sev?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, er war wegen mir hier«, bemerkte Marsalis und stand zum ersten Mal seit dem Anschlag auf. Er gähnte breit.
Norton beäugte ihn voller Abneigung. »Alles wegen Ihnen, hm?«
»NYPD fällt über ihn her, Tom«, warf Sevgi entschärfend ein. »Der leitende Detective hat sich kaum einen Scheißdreck um Ortiz gekümmert, er wollte lediglich darüber sprechen, wie es kommt, dass wir einen unlizensierten Dreizehner auf den Straßen herumlaufen lassen.«
»Genau.« Norton schoss sich auf diese neue Aufgabe ein. »Wie heißt dieser Detective?«
»Williamson. Vom achtundzwanzigsten.«
»Ich werde mit ihm reden.«
»Man hat bereits mit ihm geredet. Das habe ich nicht gemeint. Es sähe wohl besser aus, wenn wir die Sache als ein Attentat auf Ortiz verkaufen würden.«
»Du glaubst nicht daran?« Norton war verblüfft. Er winkte zu einem der toten Attentäter hinüber. »Skater-Crew, Sev. Verfolgung der Limousine durch den Verkehr, das ist die übliche Vorgehensweise von Banden. Zehn, zwölf Morde in der Innenstadt, alle auf die gleiche Weise. Wofür hältst du das Ganze denn sonst?«
Sevgi nickte zu Marsalis hinüber.
»Oh, komm schon, Sev, du willst mich wohl auf den Arm nehmen! Wir sind weniger als einen Tag in der Stadt. Wer hat denn gewusst, dass wir hier sind?«
»Andersherum betrachtet gibt das auch keinen Sinn, Tom. Das waren Knaben von der Straße. Eine waschechte Bande von ganz, ganz weit unten. Was wollen sie denn, wenn sie jemand von ganz oben wie Ortiz verfolgen? Der Mann würd’ die Straße nicht mal dann erkennen, wenn sie ihn in den Hintern beißt.«
»Hat sie gerade getan«, bemerkte Marsalis völlig ausdruckslos.
Norton erübrigte ihm einen harten Blick. Sevgi ging dazwischen.
»Sieh mal, was immer hier auch gerade vorgefallen ist, in Florida hatten wir mehr als genug Öffentlichkeit, die wir nicht brauchen konnten. Wir wollen doch keine Wiederholung senden. Bitte die Polizei, diesen Punkt mit dem Dreizehner fällen zu lassen, und sorge dafür, dass die Medien es nicht bringen. Zum Zweck des öffentlichen Konsums kann Marsalis hier bloß ein weiterer heldenhafter Leibwächter von COLIN sein, dessen Identität geschützt werden muss, damit er sein gutes Werk fortführen kann.«
»Ja«, meinte Norton säuerlich. »Anstelle eines gefährlichen Soziopathen, der eigentlich noch gar keine Arbeit für uns erledigt hat.«
»Tom…«
Marsalis grinste. Es war wie ein Spannen der Muskeln.
»Na ja, ich habe das Leben Ihrer Partnerin für Sie gerettet. Zählt das nichts?«
»Soweit ich es sehe, haben Sie Ihre eigene Haut gerettet, mit einigem Kollateralnutzen. Sevgi, wenn dieser Williamson grob mit unserem Freund hier umzuspringen gedenkt, müssen wir euch beide von hier fortschaffen.«
»Na, das ist doch mal ’n Vorschlag.«
Marsalis klang liebenswürdig, aber etwas unter seinen Worten veranlasste Sevgi, ihm einen Blick zuzuwerfen. Ihr fiel wieder ein, wie er dem entkommenden Attentäter nachgestarrt hatte, der ausdruckslose Tonfall, in dem er ihr gesagt hatte, sobald der Fleischerwagen hier ist, bringen Sie mich besser zu COLIN, damit wir mit der Arbeit anfangen können. In der Art und Weise, wie er es gesagt hatte, hatte etwas Endgültiges gelegen, das wie die Stille im Anschluss an einen einzelnen Gewehrschusses geklungen hatte. Und jetzt fürchtete sie plötzlich um Tom Norton und seine wegwerfende Schnodderigkeit.
»Klingt gut«, beeilte sie sich zu sagen. »Tom, können wir uns bei COLIN in den N-Dschinn der Horkan’s Pride einklinken? Ein direktes Interface laufen lassen?«
Norton sah sie neugierig an und ließ den Blick zu dem schwarzen Mann an ihrer Seite und wieder zurück gleiten. Er zuckte mit den Schultern.
»Ja, vermutlich könnten wir es. Aber wozu, zum Teufel? M.I.T. hat uns bereits die Transkriptionen übergeben.« Er wandte sich direkt an Marsalis. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher