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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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undeutliche Masse eines Gebirges, das sich in der Ferne erhob. Sobald sie alle den Landrover bestiegen hatten, reichte ihr der weibliche Detective eine Waffe – Beretta Marstech, zwei Clips sowie ein weiches ledernes Schulterholster. Sie hatte sie nicht angefordert. Willkommen in La Paz, sagte die Frau, ob mit Ironie oder ohne, vermochte Sevgi nicht zu sagen. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung und wurden zügig durch die verschlafenen Straßen zu einer reservierten Suite im neuen Hilton Acantilado gefahren, mit weitem Blick über die tiefer liegende Stadt sowie einem Sicherheitssystem auf Marstech-Standard. Ein wunderschön gestyltes Bang & Olufssen Daten/Verbindungs-Portal war dezent in jeder Ecke eingebaut, außer dem Bad, das seinen eigenen Anschluss hatte. Die Betten waren breit und bettelten darum, benutzt zu werden.
    Sie standen an der jeweils anderen Seite des bodenlangen Fensters und sahen hinaus. Es war mal wieder geradezu obszön früh am Morgen – sie waren der Sonne vorausgeflogen, hatten sie verächtlich hinter sich weggeworfen, als das Suborbital vom höchsten Punkt seiner Flugbahn abgeprallt und zurück zur Erde gestürzt war. Jetzt erregte sie die Dunkelheit vor der einsetzenden Dämmerung hinter den Fenstern, und aus der umgekehrten Starscape-Schüssel der Stadt unter ihnen stieg wie ein Geflüster ein schwereloses Gefühl von Unwirklichkeit auf. Alles in allem fühlte es sich an wie zu viel verbrachte Zeit in der Virtualität. Dünne Luft und Hunger ergänzten lediglich das Ganze. Sevgi spürte sich allmählich wegdriften.
    »Brauchst du auch was zu beißen?«, fragte sie.
    Er schoss ihr einen Blick zu, den sie wohl wiedererkannte. »Führe mich nicht in Versuchung!«
    »Was zu essen«, sagte sie formell. »Alles, was ich bislang heute zu mir genommen habe, ist dieses Cimit.«
    »Preis des Fortschritts. Auf einem normalen Flug hätten wir wenigstens zwei Mal was zu essen bekommen. Die unerzählte Kehrseite des Lebensstils eines Suborbitalreisenden.«
    »Möchtest du nun was essen oder nicht?«
    »Natürlich. Was sie hier halt haben.« Er ging zu dem Bang & Olufssen, sah sich das Willkommensprotokoll auf dem Bildschirm an und bootete das System. Sie schüttelte den Kopf, warf einen letzten Blick auf die Aussicht und ging los, um die Bestellung vom Nachbarzimmer aus durchzugeben.
    Während sie das Servicemenü studierte, klickte sie zufällig den Gesundheitsdienst an. Ihr Blick blieb auf dem Untermenü Tab-Stimulanzien und synoptische Verstärker hängen, und ihr ging ruckartig auf, dass sie seit fast vierundzwanzig Stunden keinerlei Syn mehr genommen hatte.
    Hatte keine nehmen wollen.
     
    Als Carl zum ersten Mal Manco Bambaren auf sich aufmerksam machen wollte, vor drei Jahren, sondierte er die geschäftlichen Verbindungen des Tayta und fügte ihm dann so viel Schaden zu, wie er es problemlos und auf die Schnelle hinbekommen konnte. Es war eine alte Fischadler-Taktik aus dem Theater Mittelasiens, die sich ohne große Probleme übertragen ließ.
    Bambarens Spezialgebiet unter den familias war das Mitgehen-Lassen exotischer Materialien aus den Lagerhallen der Präpcamps, und zwar in Mengen, die zu klein waren, um eine Reaktion seitens COLIN hervorzurufen. Anschließend sammelte er die Beute in einzelnen Dörfern und transportierte sie daraufhin mit dem Lastwagen nach Lima hinab, wo er sie ins unersättliche Maul des Marstech-Schwarzmarkts stopfte. Es war nicht schwer, die Einzelheiten herauszubekommen – so gut wie jeder wusste davon, aber Bestechungs- und Schmiergelder hielten die viel gerühmten, jedoch unterbezahlten peruanischen Sicherheitskräfte aus der Sache heraus, und Bambaren war schlau genug, seine Klauerei auf relativ gewöhnliche technische Güter zu beschränken, die in Hinblick auf Patentschutz nicht mehr sensibel waren. Die Firmen meldeten die Verluste ihren Versicherungen, schlugen groß Lärm, unternahmen jedoch ansonsten keine großen Anstrengungen, die Löcher zu stopfen. In schweigendem quid pro quo hielt sich Bambaren bei dem eher lästigen Thema der örtlichen Arbeitsverhältnisse heraus, bei denen die familias traditionell einen Einfluss ausübten, der problematisch hätte sein können, wenn er je zum Tragen gekommen wäre, örtliche Loyalitäten sowie Bambarens wilde Straßengangs aus den Slums von Cuzco erledigten den Rest. Es war ein wie geschmiert laufendes System, und weil jedermann damit glücklich war, hatte es das Potenzial, noch lange Zeit auf diese Weise zu

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