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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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diesem Zeitraum nachsehen.«
    »Oder Bambaren hat sich fälsch erinnert, und sein Cousin hat in irgendeinem anderen Sigmaknast gesessen, irgendwo anders in der Republik.«
    »Ich glaube nicht, dass sich Manco Bambarens Gedächtnis getäuscht haben könnte. Solche Typen sind nicht groß im Vergeben und Vergessen, insbesondere dann nicht, wenn es um die eigene Familie geht.«
    »Na gut, überlassen Sie das mir.« Norton warf einen Blick den Korridor hinab zu Sevgis Zimmer. »Hören Sie, ich bin seit gestern Morgen auf den Beinen. Ich muss unbedingt ein paar Stunden schlafen. Können Sie bei ihr bleiben?«
    »Natürlich. Deswegen bin ich hier.«
    Nortons Blick heftete sich auf sein Gesicht. »Sie rufen mich, wenn etwas…«
    »Ja. Ich rufe Sie an. Gehen Sie schlafen, ja?«
    Für einen winzigen Augenblick ging etwas Undefinierbares in der schwach erleuchteten Breite des Korridors zwischen ihnen beiden hin und her. Dann nickte Norton, schloss fest den Mund und machte sich davon.
    Carl beobachtete ihn dabei mit verschränkten Armen.
     
    Später, als er in dem bläulichen Schimmer der Nachtleuchten an ihrem Bett saß, flankiert von den stillen Maschinen, glaubte er, Elena Aguirre lautlos hinter sich ins Zimmer schlüpfen zu spüren. Er drehte sich nicht um. Er beobachtete weiter Sevgis blässliches, ausgewaschenes Gesicht auf dem Kissen, das kaum wahrnehmbare Heben und Senken der Atmung unter dem Laken. Jetzt glaubte er, Aguirre sei nahe genug herangetreten, um ihm eine kühle Hand in den Nacken legen zu können.
    »Habe mich schon gefragt, wann du endlich auftauchst«, sagte er ruhig.
     
    Sevgi erwachte, allein, am Strand zurückgelassen von der zurückweichenden Flut der Endorphine, und sie wusste mit einer merkwürdigen Klarheit, dass es an der Zeit war. Das ehemals schwindelerregende Entsetzen war verschwunden, war wegen mangelnder Energie, es aufrechtzuerhalten, in sich zusammengebrochen. Endlich war sie weitaus erschöpfter, weitaus erbärmlicher wütend, und sie war weitaus gepeinigter vom Schmerz, als dass sie Angst gehabt hätte.
    Es war das, worauf sie gewartet hatte.
    Zeit zu gehen.
    Draußen vor dem Fenster ihres Zimmers versuchte der Morgen, sich Zutritt zu verschaffen. Weiches Sonnenlicht fiel schräg durch den Schlitz zwischen den idyllischen, von Hand zuzuziehenden Vorhängen. Das Warten zwischen den Wogen des Endorphins darauf, dass die Nacht sich durch die Tür verzog, war ihr wie ein Schmerz erschienen, ein ewig währender, reibender Schmerz. Sie lag noch eine Weile länger dort und sah dem heißen Lichtflecken zu, der zu ihren Füßen aufs Bett kroch, und dachte nach, weil sie sich gewiss sein wollte.
    Als die Tür aufging und Carl Marsalis das Zimmer betrat, stand die Entscheidung so felsenfest in ihrem Kopf, wie sie beim Erwachen dort gestanden hatte.
    »Hallo, du«, begrüßte er sie leise. »Bin nur für eine Dusche oben in der Halle gewesen.«
    »Glücklicher verdammter Bastard«, sagte sie heiser und war entsetzt darüber, wie tief, wie bitter ihr Neid auf dieses simple Vergnügen wirklich war. Dem gegenüber erschienen ihre Gefühle in Hinblick auf Rovayo trivial.
    Zeit zu gehen.
    Er lächelte sie an, vielleicht war ihm der besondere Tonfall entgangen, vielleicht auch nicht, und er hatte ihn durchgehen lassen.
    »Kann ich dir was bringen?«, fragte er.
    Dieselbe Frage, die er jedes Mal stellte. Sie hielt seinem Blick stand und brachte ein festes Nicken zustande.
    »Ja. Kannst du. Ruf meinen Vater und Tom herein, ja?«
    Das Lächeln auf seinem Gesicht flackerte und erlosch. Einen Moment lang stand er absolut still da und sah auf sie hinab. Dann nickte er und schlüpfte hinaus.
    Sobald er verschwunden war, begann ihr Puls zu hämmern, bis hinauf in die Kehle und die Schläfen. Es fühlte sich an wie die ersten paar Male, als sie ihre Waffe als Streifenpolizistin ziehen musste, die jähe, kippelige Anspannung angesichts einer Situation auf der Straße, die schlimm zu werden versprach. Das Entsetzen der letzten dahinwelkenden Sekunden, der Geschmack der unwiderruflichen Verpflichtung.
    Als er mit den beiden anderen zurückkehrte, hatte sie das Gefühl in sich verschlossen.
    »Mir reicht es«, sagte sie zu ihnen, und ihre Stimme war ein ausgetrocknetes Flüstern, das im Zimmer kaum lauter erschien als in ihrem eigenen Kopf. »Es ist so weit.«
    Keiner von ihnen sprach ein Wort. Es war nicht so, als wäre dies eine Überraschung.
    »Baba, ich weiß, du würdest das für mich tun, wenn du könntest.

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