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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Händedruck kaum wahrnehmbar. Sie kichert, ein sanftes Herausreißen von Luft durch ihre Lippen, kaum ein richtiger Laut. ›Und die Jungfrauen. Vergiss sie nicht!‹
    Er schluckt heftig.
    ›Ja, gut, du bewahrst eine von denen für mich auf. Ich komme schon, Sevgi. Ich hol dich ein. Wir alle holen dich ein.‹
    ›Verfluchte Jungfrauen‹, murmelt sie schläfrig. ›Wer braucht die denn? Musst ihn alles beibringen…‹
    Und dann, endlich, bevor sie aufhört zu atmen:
    ›Baba, er ist ein guter Mann. Er ist sauber.‹
    Er warf die Türen zur Station hinter sich zu, in den Korridoren wichen die Menschen vor ihm beiseite. Er fand die Treppe, sprang sie hinab, suchte nach einem Weg hinaus.
    Wusste, dass es keinen gab.

 
48
     
     
    Hinterher suchte der COLIN-Angestellte ihn im Garten auf. Carl hatte nicht gesagt, dass er dorthin zu gehen beabsichtigte, aber er hätte kein Detective sein müssen, um sich das denken zu können. Die Bänke rund um die Fontäne waren während der vergangenen Wochen für sie alle zum Zufluchtsort geworden, zum vertrauten Ort. Dorthin gingen sie üblicherweise, wenn die Last des Krankenhauses sie niederdrückte, wenn der antiseptische Geruch der nano-gereinigten Luft zu heftig und ätzend zum Atmen geworden war. Norton warf sich auf die Bank neben ihm wie jemand, der in ein gemeinsam bewohntes Haus heimkehrt und sich aufs Sofa fallen lässt. Er starrte in die im Sonnenlicht funkelnde Fontäne und sagte überhaupt nichts. Er hatte sich gewaschen, aber sein Gesicht wirkte vom Weinen nach wie vor wie im Fieber.
    »Irgendwelche Probleme?«, fragte ihn Carl.
    Benommen schüttelte Norton den Kopf. Seine Worte kamen mechanisch heraus. »Sie schlagen etwas Lärm. Der COLIN-Schriftsatz sollte das decken. Ertekin spricht mit ihnen.«
    »Also sind wir so frei zu gehen.«
    »Frei zu…?« Norton runzelte verständnislos die Stirn. »Sie waren stets so frei zu gehen, Marsalis.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    Norton schluckte. »Hören Sie, da ist noch das Begräbnis. Arrangements. Ich weiß nicht, ob…«
    »Ich bin nicht daran interessiert, was sie mit ihrem Leichnam anstellen. Ich bin daran interessiert, Onbekend zu finden. Werden Sie mir dabei helfen?«
    »Marsalis, hören Sie…«
    »Eine simple Frage, Norton. Sie haben sie da drinnen sterben sehen. Was werden Sie deswegen unternehmen?«
    Der COLIN-Angestellte zog schaudernd die Luft ein. »Sie glauben, Onbekend zu töten wird alles zum Besseren wenden. Sie glauben, das wird sie zurückbringen?«
    Carl starrte ihn an. »Ich werde mal annehmen, das ist eine rhetorische Frage.«
    »Haben Sie noch nicht genug?«
    »Genug wovon?«
    »Genug davon, das zu töten, worauf sie Ihre verdammten Hände legen können.« Norton sprang auf und stellte sich über ihn. Die Worte kamen herausgezischt wie Giftgas. »Sie haben gerade da drin Sevgis Leben genommen, und mehr fällt Ihnen nicht ein, als jemand anderen zu suchen, den Sie töten können? Von mehr verstehen Sie nichts, verdammt?«
    Auf der anderen Seite des Gartens drehten sich Köpfe um.
    »Setzen Sie sich!«, sagte Carl grimmig. »Bevor ich Ihnen den verdammten Hals breche!«
    Norton grinste übel. Er ging in die Hocke und brachte sein Gesicht auf gleiche Höhe mit Carls.
    »Sie wollen mir den verdammten Hals brechen?« Er deutete auf seinen Nacken. »Hier ist er, mein Freund. Genau hier.«
    Es war ihm ernst damit. Carl schloss die Augen und seufzte, öffnete sie und sah Norton wieder an, nickte langsam.
    »Na gut.« Er räusperte sich. »Man kann die Sache von zwei Seiten betrachten, mein Freund. Sehen, ob wir die zivilisierte, feminisierte, konstruktive Kiste durchziehen und eine lange schulgerechte Untersuchung durchfuhren, die uns am Ende vielleicht zu Manco Bambaren, dem Altiplano und Onbekend zurückführt – oder auch nicht. Oder wir können Ihre COLIN-Ermächtigung und ein wenig Hardware nutzen und da unten hinfliegen und Feuer an Mancos Maschinerie legen.«
    Norton schob sich wieder hoch. Er schüttelte den Kopf. »Und Sie glauben, das wird ihn dazu bringen, klein beizugeben? Einfach so?«
    »Onbekend ist ein Dreizehner.« Carl überlegte flüchtig, ob er Norton nicht härter anfassen, ob er nicht etwas gegen diese Grabesstimme tun könnte, die er selbst heraushörte. »Manco Bambaren hat ihn vielleicht angeheuert, oder er hat einfach nur Geschäfte mit den Leuten, die es taten, aber worin die Verbindung auch bestehen mag, es ist nicht das Blut, so wie es bei Merrin war. Manco wird

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