Skorpion
ein Tuch heraus und reichte es seinem Bruder.
»Nur keine Dummheiten, Jeff«, sagte er ruhig. »Er möchte dich so gern tot sehen, dass man es schmecken kann, und ich bin da nicht allzu weit von ihm entfernt. Hier, mach dich sauber!«
Jeff nahm das Tuch, dann noch ein paar weitere aus der Schachtel. Während er den Blutfluss aus der Nase stoppte, schenkte Tom Norton das einzelne Glas voll. Er schob den Drink über den Tisch hinüber.
»Da ist dein Drink«, sagte er zu seinem Bruder. »Jetzt benimm dich!«
»Kommando Skorpion«, erzählte er ihnen.
Carl nickte. »Kralle. Stimmt. Sie benutzen nach wie vor die Rufzeichen, Sie trauriger Hosenscheißer. Was waren Sie, Jeff, Bürohengst? So sicher wie das Amen in der Kirche waren sie nicht die vorderste Reihe von irgendwas so Hässlichem wie Skorpion.«
»Sie haben von diesen Burschen gehört?«, fragte ihn Norton.
»Gerüchteküche, ja. Geisterschwadron in den Theatern des pazifischen Rim, soll eine der letzten verdeckten Einsätze vor der Sezession gewesen sein.« Carl sah abschätzend auf Jeff Norton hinab. »Also rücken Sie raus mit der Sprache, Jeff. Worin bestand Ihre Aufgabe?«
»Logistik«, erwiderte der Direktor von Human Cost düster. »Ich war der Koordinator der Operationen.«
»Stimmt.«
»Wann war das, zum Teufel?« Norton starrte seinen Bruder an. »Bis anno ’94 bist du hier nicht mal ausgezogen. Du warst in New York.«
Jeff Norton schüttelte erschöpft den Kopf. »Ich war die ganze Zeit über hier draußen, Tom. Hin und her, von der Union zum Rim, vom Rim nach Südostasien. Überall hatten wir Büros. Die Hälfte der Zeit war ich nur eines von fünf Wochenenden zu Hause.« Er nahm die blutgetränkten Tücher von der Nase, warf sie auf den Beistelltisch und verzog das Gesicht. »Wie dem auch sei, woher hättest du das wissen sollen? Wir haben dich, hm, vielleicht einmal pro Monat gesehen, wenn überhaupt?«
»Ich hatte zu tun«, sagte Norton benommen.
»Meinen Informationen nach«, bemerkte Carl, »hätte die Sezession das Ende von Kommando Skorpion bedeuten sollen. Hätte abgewickelt werden sollen wie all die anderen schmutzigen kleinen Dinge, von denen die amerikanische Öffentlichkeit nicht unbedingt etwas wissen musste. Das ist sowieso die offizielle Version. Aber hier geht es um die Siebzigerjahre, eine gute Zeit bevor sie Sie beschäftigt hätten, Jeff. Was ist also passiert? Sie haben privat Ihre Dienste angeboten?«
Jeff schoss ihm einen überraschten Blick zu. »Davon haben Sie gehört?«
»Nein. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass eine Bande von geheim operierenden Verbrechern sich mit einem frühen Rückzug nicht zufrieden geben wollte und stattdessen auf den freien Markt gegangen ist. Dann ist was passiert?«
»Kommando Skorpion blieb erhalten.« Jeff war immer noch eingeschnappt. Weitere Tücher, herausgezupft aus der Schachtel auf dem Tisch. Carl beobachtete ihn leidenschaftslos.
»Erhalten von wem?«
Darauf wusste Norton bereits die Antwort. »Den Rimstaaten. Muss so sein. Sie haben einfach losgeschlagen, ihre Zukunft lag in der pazifischen Arena. Alles, was ihnen von Vorteil war, musste es wert sein, beibehalten zu werden, nicht wahr?«
»Stimmt genau, kleiner Bruder.« Jeff nahm die Tücher lange genug von der Nase, um einen Schluck Cognac hinunterzugießen. »Siehst du jetzt allmählich das größere Bild?«
»Toni Montes«, sagte Carl. »Jasper Whitlock. Ulysses Ward. Eddie Tanaka. All die anderen. Alles Personal von Skorpion?«
»Ja. Nicht unter diesen Namen, aber ja.«
»Und Onbekend.«
»Ja.« Jeff Nortons Stimme hatte einen gewissen Beigeschmack. Carl hielt ihn möglicherweise für Furcht. »Er auch. Einige Zeit.
Ist gekommen und gegangen, wissen Sie. Abkommandiert worden.«
»Aber nicht Merrin?«
»Onbekend war für uns Merrin«, erwiderte der Direktor von Human Cost höhnisch. »Wir wussten nichts von dem anderen, niemand wusste, dass es zwei von ihnen gab.« Er sah in sein Glas hinab. »Bis jetzt nicht.«
Carl schritt durch das Büro zum Getränkeschränkchen hinüber und starrte auf das Ensemble von Flaschen und Gläsern. Vor seinem geistigen Auge entfaltete sich die Bayview-Kneipe, wo er mit Sevgi Ertekin getrunken hatte, gestohlenen Whisky von der Bar, und der Gestank des Pistolenfeuers hing immer noch in der Luft. Er spürte den raschen Schwall von Ärger in seinen Eingeweiden, wollte alles in dem Schränkchen zerschlagen, eine zerborstene Flasche am Hals packen, damit zurück zu Jeff
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